Alexander Stannigelwww.alexander-stannigel.euBeiträge
Beiträge Seite 20
Alexander Stannigel — hat drei Artikel geteilt:Freitag, 8. Mai 2020
#415
Reisebeschränkungen zur #Covid19-Eindämmung kurz zusammengefasst:
Rechtswidrig – zumindest wenn das Gesundheitssystem nicht an seine Leistungsgrenze zu kommen droht
Nutzlos – die Ausbreitung von Viren wird dadurch nicht merklich gebremst
Viel zu spät – SARS-CoV-2 war höchstwahrscheinlich bereits im November in Europa
Wir hätten in Europa das Problem also zwei Monate länger versuchen können wegzuignorieren, aber dann wär's trotzdem so gekommen, wie's jetzt gekommen ist.
«Schlagbäume, Grenzkontrollen, Zurückweisungen. Der europäische Gedanke ist an der deutschen Außengrenze kaum noch zu spüren. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags formuliert nun ‹Zweifel› und ‹Bedenken›, ob die Anordnung aus dem Bundesinnenministerium zu den Ausreisebeschränkungen in der Corona-Krise überhaupt rechtmäßig ist. Das achtseitige Papier, das dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt, verweist unter anderem darauf, dass die EU-Bürger ein Recht auf Freizügigkeit haben.»
(…)
«Allerdings heißt es im Gutachten, dass von der Ausreise aus dem Bundesgebiet unmittelbar ‹keine Gefahr für das deutsche Gesundheitssystem› ausgehe. Dabei haben die Gutachter in Erwägung gezogen, dass die Bürger nach einem Urlaub wieder einreisen. Zwar gingen von Urlaubsreisen in Infektionsgebiete ‹besondere Gefahren› aus. Mittlerweile sei aber zu beobachten, dass ‹das öffentliche Leben insbesondere in den von der Ausreiseuntersagung betroffenen Ländern massiv eingeschränkt› sei.»
(…)
«‹Solche Ausreiseverbote haben sich bislang immer nur auf Einzelpersonen bezogen, denen irgendwelche konkreten Verhaltensweisen vorgeworden wurden, aus denen sich eine Gefährdung deutscher Interessen ergebe.› [...] dass es bislang Ausreiseverbote für Hooligans oder gewaltbereite Islamisten gegeben habe. (...) Jeden Tag würden wegen der Einreisebeschränkungen ‹Familien zerschnitten, Pendler behindert und jetzt auch Schulwege blockiert. (...) Zum Gesundheitsschutz sind die Sperren nicht mehr geboten, aber sie widersprechen eklatant der gemeinsamen Lebenswirklichkeit unserer Grenzregionen›.»
«Die Grenzen zu schließen, um ein Virus nicht ins Land zu lassen, funktioniert nicht. Das zeigen seit Jahren Studien, die bei Grippeausbrüchen ebenso gemacht wurden wie bei SARS und MERS. (…) Die USA und Italien haben nach Ausbruch des Coronavirus zu einem frühen Zeitpunkt Reisende aus China nicht mehr ins Land gelassen, Spanien und Frankreich haben das nicht gemacht. Doch alle vier Länder wurden in den Wochen danach vom Coronavirus ähnlich stark getroffen.»
(…)
«Wenn in einem Land die Menschen vor einer Epidemie gewarnt sind, wenn sie also Abstand halten, und zudem die Gesundheitsämter versuchen, die Infizierten aufzuspüren, zu isolieren und ihre Kontaktpersonen sich in Quarantäne begeben, dann wird das exponentielle Wachstum gebrochen. Die Infektionen, die dann über eine Landesgrenze womöglich zusätzlich eingeschleppt werden, vergrößern zwar rechnerisch die Zahl der Gesamtinfizierten, machen aber keinen entscheidenden Unterschied mehr. […] Mit den gleichen schlechten Gründen, mit denen man die Grenzen zwischen Deutschland und Österreich schließt, hätte man auch die Grenzen zwischen Bayern und Baden-Württemberg schließen können.»
(…)
«Dringend nötiges medizinisches Material wie Schutzkleidung komme etwa in vielen Ländern nicht mehr an, weil die Passagierflugzeuge keine Fracht mehr mitnehmen können. […] [Das Welternährungsprogramm musste] für viel Geld eine Luftbrücke einrichten, um überhaupt medizinische Güter in viele Länder schaffen zu können. […] die Hilfsorganisation UNICEF [berichtete], dass im März die regulären Schutzimpfungen für Kinder in mehreren Ländern um 70 bis 80 Prozent zurückgegangen seien, weil es keine kommerziellen Flugzeuge mehr gebe, die die Impfstoffe transportieren können. Ostafrika leidet zudem derzeit unter einer der größten Heuschreckenplagen seit Langem – auch weil die Pestizide wegen Coronabeschränkungen derzeit nicht eingeflogen werden können.»
«Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie aber nahmen sich die Ärzte noch einmal alle Fälle von ungeklärten schweren Lungenerkrankungen aus dem Dezember und dem Januar vor – und wurden fündig. Ein Test auf Grippeviren war bei Hammar ergebnislos geblieben. Doch noch vorhandene und gelagerte Proben von ihm erwiesen sich bei Tests auf Sars-CoV-2 als positiv. (…) Der Fall […] wirft zusammen mit anderen Untersuchungen eine Reihe von Fragen auf, etwa wie das Infektionsgeschehen in der Frühphase abgelaufen ist, wann es begann und wo es seinen Ausgangspunkt hatte.»
«Ein Team aus Genetikern und Archäologen (…) [fand] drei verschiedene Stränge des Virus, die sie als A, B und C bezeichnet haben. Der Typ A ist dabei […] die Urversion des menschlichen Coronavirus. […] In Wuhan allerdings, der Stadt in Zentralchina, wo die Epidemie nach der offiziellen Version der chinesischen Regierung ihren Ausgangspunkt auf dem Huanan-Markt hatte, ist der Virustyp B vorherrschend, nicht, wie eigentlich zu vermuten wäre, der ursprüngliche Virustyp A. (…) ‹Der Typ A jedoch ist auch in anderen Regionen in China zu einem frühen Zeitpunkt des Ausbruchsgeschehens aufgetreten, etwa in Yunnan und Guangdong.›»
(…)
«[…] Er war seit August 2019 nicht gereist, muss sich also in Frankreich angesteckt haben – die genauen Infektionsketten konnten die Ärzte noch nicht nachvollziehen. China meldete am 31. Dezember die ersten Fälle an die WHO. Doch ist bekannt, dass es dort schon am 1. Dezember einen bestätigten Fall gegeben hat, möglicherweise bereits Mitte November einen anderen. […], dass der Ausbruch mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent zwischen dem 13. September und dem 7. Dezember stattgefunden hat. Eine weitere Analyse […] datiert den Übergang des Erregers auf den Menschen auf den Zeitraum zwischen dem 8. Oktober und dem 11. Dezember.»
«Tatsächlich häufen sich inzwischen blitzartige Kurseinbrüche, die teils ohne Grund stattfinden. Besonders spektakulär war der ‹Flash Crash› am 6. Mai 2010, den computergesteuerte Handelsprogramme auslösten. Binnen weniger Minuten stürzte der Dow um rund 1.000 Punkte ab. Auch beim Corona-Crash im März könnten die Hochfrequenzhändler die Hände mit im Spiel gehabt haben. Sie sollen den Herdentrieb verstärkt haben.»
(…)
«Seit 2011 ringen die EU-Länder um eine europaweite Finanztransaktionssteuer, die auch die Spekulanten belasten sollte.»
(…)
«Ausgerechnet eine Gruppe planten Deutschland und Frankreich von der Steuer zu verschonen: die Hochfrequenzhändler. […] Bei dem vorgeschlagenen deutsch-französischen Modell, würden 99 Prozent aller Finanztransaktionen von der Steuer ausgenommen. (…) In einem […] Gutachten kritisiert das Kieler Institut für Weltwirtschaft, dass gerade Investoren, die sich aktiv und transparent am Markt beteiligen, besteuert würden. Geschont würden weniger transparente Akteure, die mit hochriskanten Finanzinstrumenten oder im Hochfrequenzbereich handelten.»
«Wer in Deutschland als Whistleblower an die Öffentlichkeit geht, ist Repressalien durch den Arbeitgeber fast schutzlos ausgeliefert. Obwohl Hinweisgeber*innen wie Edward Snowden, Antoine Deltour oder Chelsea Manning in der deutschen Öffentlichkeit ein hohes Ansehen genießen, verfügt Deutschland bisher über kein Whistleblower-Schutzgesetz. (…) Es besteht kein Zweifel – vom Whistleblowing profitiert die gesamte Gesellschaft. Nicht nur sorgen interne Hinweisgeber*innen in Unternehmen oder Verwaltungen immer wieder dafür, dass echte gesundheitliche Gefahren von der Allgemeinheit abgewendet werden, die Aufdeckung von Steuer- und Korruptionsskandalen hat auch Milliarden an Steuergeldern in öffentliche Kassen gespült.»
(…)
«Der Wille der EU ist klar: Whistleblower sollen geschützt werden, völlig unabhängig davon, in welchem Bereich sie Missstände aufdecken. Zwar kann die Richtlinie den Whistleblower-Schutz nur mit Bezug auf Verstöße gegen das EU-Recht verpflichtend machen, es heißt aber im Gesetzestext ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten diesen Whistleblower-Schutz auf andere Rechtsbereiche ausdehnen können. Eine solch explizite Aufforderung an Mitgliedstaaten, eine weitergehende Regelung in Betracht zu ziehen, ist ein durchaus ungewöhnliches, starkes Zeichen.»
(…)
«In einem ersten Eckpunktepapier, das kürzlich an die anderen Ministerien verschickt wurde, schlägt das Justizministerium die Umsetzung der Richtlinie in Form eines allgemeinen Whistleblower-Schutzgesetzes vor, das für alle Rechtsbereiche gilt, egal ob europäisches oder nationales Recht. (…) Alles andere würde laut Justizministerium zu absurden Ergebnissen führen, etwa dass das Whistleblowing zur Meldung von Verbraucherschutzverstößen geschützt wäre, nicht aber zur Aufdeckung schwerer Straftaten. Für die Betroffenen sei es nicht nachvollziehbar, wenn sie nur dann vor Repressalien geschützt werden, wenn der Rechtsverstoß, den sie melden, auf das Europarecht zurückzuführen ist.»
(…)
«Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist offenbar fest entschlossen, den Whistleblower-Schutz durch kleinliche Verweise auf die Unterschiede zwischen europäischer und deutscher Gesetzgebungskompetenz zu sabotieren. (…) Jegliche Empfehlungen des Justizministeriums, die auf ein allgemeines Whistleblower-Schutzgesetz hinweisen, wurden durch das Wirtschaftsministerium in der Ressortabstimmung gestrichen.»
(…)
«Mit dieser an Arbeitsverweigerung grenzenden Einstellung sieht das Wirtschaftsministerium die Verantwortung des deutschen Gesetzgebers also darin, das absolute Mindestmaß dessen umzusetzen, wozu es durch die EU-Gesetzgebung ohnehin gezwungen ist. Wenn ein Rechtsbereich in nationale Kompetenz fällt, dann sollen Whistleblower, die etwa über Missstände im Gesundheitswesen aufklären, keinerlei Schutz erhalten. Offensichtlich sieht die CDU im Whistleblower-Schutz keinen Dienst an der Gesellschaft, sondern ausschließlich eins: eine Gefahr für die Interessen von Unternehmen.»
«Die Strategie, den Whistleblower-Schutz in der Praxis unanwendbar zu machen, beruht vor allem auf Verwirrung und Abschreckung: Wer ist schon ohne umfassende juristische Ausbildung in der Lage zu beurteilen, ob eine bestimmte Rechtsverletzung auf die Umsetzung einer EU-Richtlinie zurückzuführen ist oder nicht? Das ist eine Unterscheidung, die selbst für geschulte Jurist*innen nicht immer ganz einfach ist, und sich obendrein regelmäßig ändert.»
«[In der Studie], die der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité gemeinsam mit Kollegen verfasst hat, [wurde] die Viruslast in den Atemwegen von Infizierten verglichen. (…) Kinder tragen also nicht weniger Viren in ihren Körpern als Erwachsene. Daraus zieht das Team den Schluss: ‹Wir müssen in der gegenwärtigen Situation vor einer unbegrenzten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten warnen. Kinder könnten ebenso infektiös sein wie Erwachsene.›»
«Allerdings waren Kinder in der Stichprobe deutlich unterrepräsentiert, nur 47 von 3700 Infizierten waren jünger als zwölf Jahre. Die geringe Zahl lässt sich damit erklären, dass die Wissenschaftler Daten aus Routine-Testungen eines Berliner Labors verwendet hatten. Infizierte Kinder aber haben oft milde oder gar keine Symptome und werden damit seltener getestet. Wie repräsentativ die untersuchten Kinder sind, ist fraglich. Womöglich sind vor allem jene in die Testzentren gekommen, die ernstere Verläufe und damit möglicherweise eine höhere Virenlast hatten.»
«Die Wissenschaftler räumen ein, dass die Viruslast allein noch keine Aussage darüber zulässt, in welchem Maß Kinder Sars-CoV-2 auch verbreiten. […] könnte […] könnten […] derzeit schwer zu bestimmen […] nicht zwangsläufig […] womöglich […]»
Alexander Stannigel — schaut sich Zahlen an.Donnerstag, 30. April 2020
#410
Planübererfüllung!
Nach sechs Wochen Lockdown, sieben Wochen geschlossenen Schulen und Kitas ist das Gesundheitssystem nicht nur nicht überlastet und Ärzte sind nicht vor die Entscheidung gestellt, wen sie behandeln und wen sie dem Schicksal überlassen. Die Neuinfektionszahlen sind trotz ein paar Lockerungen weiter rückläufig und die Reproduktionszahl pendelt seit dem souverän unter eins. Vom Verdoppelungszeitraum ist seit Wochen gar nicht mehr die Rede …
«Da die Verdoppelungszeit durch das Abflachen der Infektionskurve an Bedeutung verloren hat, ist die Reproduktionszahl in den Fokus gerückt […] Denn obwohl die Zahl der Neuinfektionen sinkt, schätzt das Robert Koch-Institut R wieder höher ein. Die Reproduktionszahl lag nach dessen Schätzungen zwischenzeitlich bei 1,0 – und nicht mehr 0,9. […] RKI-Präsident Lothar Wieler erklärte auf Nachfrage von Journalisten allerdings, der genaue Wert liege derzeit bei 0,96 – und sei nach mathematischen Regeln aufgerundet worden. Das heißt: Schon geringe Veränderungen eines Schätzwerts können in einer Krise enormes öffentliches Aufsehen auslösen.»
(…)
«Der RKI-Präsident plädiert außerdem, man dürfe nicht nur auf eine einzelne Zahl schauen. So sei die Reproduktionszahl eins allein nicht aussagekräftig und müsste beispielsweise ganz anders bewertet werden, wenn es täglich 50.000 Neuinfektionen in Deutschland gebe.»
(…)
«Die Schätzwerte können aber anders ausfallen, wenn andere Annahmen oder Zeiträume benutzt werden. So kommt die Technische Universität Ilmenau auf niedrigere Werte als das RKI, allerdings sind die Daten nicht aktuell und sollten, so schreibt es die Uni selbst, ‹vorsichtig interpretiert werden›. Die Berechnung beruht auf den täglichen Meldezahlen, die das RKI bereitstelle. Für den 20. April schätzen die Forscher der TU eine Reproduktionszahl von lediglich 0,29; dieser Wert sei aber noch nicht endgültig.»
«In der 16. Kalenderwoche ab dem 13. April übermittelten 161 Labore eine Gesamtzahl von 323 449 Tests an das RKI, 6,7 Prozent davon (21 538) hatten dabei das Virus aufgespürt. Zwei Wochen zuvor waren es noch gut 408 000 Tests. […] Für die darauffolgende 17. Kalenderwoche gaben 126 Labore an, insgesamt deutlich über 800 000 Tests auf Sars-CoV-2 abwickeln zu können. […] Es übermitteln allerdings noch nicht alle Labore, die Coronatests anbieten, an das RKI.»
Alexander Stannigel — hat einen Artikel geteilt:Dienstag, 28. April 2020
#408
Also dass die Studienlage zur Verbreitung von SARS-CoV-2 so dünn ist…
Gerade wenn man die sozialen Folgen bedenkt, dass gerade
Jedes fünfte Kind völlig abgehängt wird [1][2]
Hilfsorganisationen in Arbeit gerade ziemlich eingeschränkt sind [3]
Elternteile durch die Kinderbetreuung ein Drittel weniger Einkommen haben… [4]
… oder seit Wochen durch die Doppelaufgabe Homeoffice und Kinderbetreuung/Homeschooling weit über der Belastungsgrenze sind [5][6]
und kaum schnelle Besserung in Sicht ist – weder durch Kita- und Schulöffnungen, noch durch Aufstockung der staatlichen Unterstützung und gesetzliche Vorgaben.
«Für die Behauptung, dass Kinder das Virus SARS-CoV-2 stark verbreiten, würden Kitas und Schulen wieder öffnen, gibt es bislang keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage. Im Gegenteil. […] Dass Kinder nicht nur deutlich weniger als Erwachsene gefährdet sind, an Covid-19 zu erkranken, sondern sich möglicherweise auch seltener infizieren und deshalb auch nicht zu einer übermäßigen Verbreitung des Virus beitragen können, zeigen auch andere Studien. Doch diese haben in Deutschland bislang leider kaum Beachtung gefunden.»
(…)
«In den Studien, die bislang vorliegen, war der weit überwiegende Übertragungsweg der von Erwachsenen auf Kinder und nicht umgekehrt. Für die Übertragung von Kindern auf Kinder liegt hingegen bislang keine ausreichend valide Evidenz vor. [Ein solcher Übertragungsweg ist nicht ausgeschlossen], doch er scheint deutlich weniger wahrscheinlich als der umgekehrte Weg.»
(…)
«Vieldiskutiert wurde in Deutschland auch eine Studie zweier Ökonomen des Institutes für die Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn [&hellip]. Sie dient in der bisherigen Debatte als wichtige Argumentationsbasis dafür, Enkelkinder von ihren Großeltern fernzuhalten. Doch zu minderjährigen Kindern im Haushalt enthält und überprüft die Studie gar keine Daten.»
(…)
«Nach den Daten, die bisher vorliegen, müssen wohl eher die Erwachsenen aufpassen, dass sie die Ältesten nicht anstecken.»
Alexander Stannigel — hat einige Artikel geteilt:Montag, 27. April 2020
#407
Wird langsam echt Zeit die sozialen Folgen des Lockdowns anzugehen. Im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Folgen hilft da nicht einfach mit Geld drauf zu werfen.
Jede/r fünfte Schüler/in wird durch die Schulschließungen und fehlende Homeschooling-Möglichkeiten gerade zurückgelassen
Hilfsorganisationen sind in ihrer Arbeit aktuell ziemlich eingeschränkt
Elternteile haben durch die Kinderbetreuung ein Drittel weniger Einkommen …
… oder sind seit Wochen durch die Doppelaufgabe Homeoffice und Kinderbetreuung/Homeschooling weit über der Belastungsgrenze
«Nach der Schulschließung musste auf einen Schlag der komplette Unterricht digital funktionieren. Das stellte nicht nur Lehrer vor eine Herausforderung, sondern auch viele Familien. (…) Für den Lernerfolg der Schüler ist der Zugang zu einem eigenen Computer in der aktuellen Krise enorm wichtig geworden. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine neue Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. (…) Deutlich weniger als die Hälfte der befragten 12- bis 14-Jährigen hat alleinigen Zugriff auf einen PC oder Laptop. Diese Kinder sind jetzt besonders benachteiligt.»
(…)
«[In einer] Online-Umfrage der Elternkammer Hamburg, an der über 20.000 Eltern teilnahmen, [gaben] 18 Prozent an, dass die von der Schule geforderte Technik der Familie Probleme bereite. Und das, obwohl an der Umfrage überdurchschnittliche viele bessergestellte und technikaffine Familien teilnahmen. (…) Leihcomputer zum Beispiel gab es für Schülerinnen und Schüler […] jahrelang nicht, erst jetzt sind erste Computer verteilt worden.»
(…)
«Laut einer repräsentativen Umfrage der Robert Bosch Stiftung sagen 37 Prozent der Lehrer, dass sie mit ‹weniger als der Hälfte› oder sogar nur mit ‹sehr wenigen Schülerinnen und Schülern› regelmäßigen Kontakt haben. Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass der digitale Unterricht vor allem für Schüler aus bildungsfernen Familien schwierig ist. Die Schulschließungen wirken sich demnach für die betroffenen Kinder ‹besonders negativ aus und können ihre Entwicklung in substanziellem Maße hemmen›, schreiben die Studienautoren.»
«Den Kindern, die keinen funktionierenden Computer haben und kein Handy, auf dem man PDF-Dateien lesen kann, fehlt es meistens an ganz essenziellen Dingen: Kleidung zum Beispiel, oder Essen, oder sogar das Betrachten von Orten, an denen es keine Plattenbauten gibt. Jahrelang hat Sozialpolitik das Leben dieser Kinder nicht verbessert. Stattdessen wurde ihnen der Aufstieg durch Bildung versprochen. Wenn sie sich nur genug anstrengen würden, gute Noten schreiben, Bücher lesen, dann könnten sie eventuell ‹der Armut entkommen›. Die Schule sollte alle gleich machen, weshalb man versäumte, die Leben der Kinder auch außerhalb der Schule zu verbessern. Man gab ihnen kostenlose Nachhilfe, kostenlose Mitgliedschaften in Vereinen, kostenlose Mittagessen in Schulen – und vergaß dabei völlig, dass es Kindern niemals gut gehen wird, wenn ihre Eltern arm sind. Dass die Ausgrenzung und die psychische Belastung, die aus Armut entsteht, jedes Kinderhirn sowieso verkümmern lassen.»
«‹Über Nacht ist das Hilfesystem in Deutschland zusammengebrochen, alle haben zugemacht und keiner weiß mehr, an wen er sich wenden kann›, sagt Bernd Siggelkow, der [das christlichen Kinder- und Jugendhilfswerk Arche] vor 25 Jahren gegründet hat. Vor dem Beginn der Coronakrise unterstützte und versorgte die Arche deutschlandweit bis zu 4500 Kinder täglich. Doch seit Mitte März sind alle 27 Standorte auf unbestimmte Zeit geschlossen.»
(…)
«Die Ausgangsbeschränkungen treffen finanzschwache Familien besonders schwer. Die kostenfreien Mahlzeiten in Schulen, Kindergärten und Jugendzentren fallen weg. Nun müssen viele Eltern ihre Kinder ganztags versorgen und gleichzeitig ihr Sozialleben auf engstem Raum organisieren. (…) Die Kinderrechtsorganisation appelliert an den Staat, die sozialen Hilfen und Beratungssysteme aufrechtzuerhalten. ‹Es darf nicht sein, dass mit der Verringerung der Zahl der Ansteckungen die Zahl der Kinderschutzfälle steigt›, sagt Melike Yar von Save the Children (…)»
(…)
«‹Du kommst in Geschäfte und da kosten die Nudeln plötzlich 85 Cent statt 45 Cent. Das läppert sich.›»
(…)
«Die Bildungschancen vieler Arche-Kinder werden in den nächsten Wochen weiter sinken. Sie haben ungleich schlechtere Lernbedingungen als viele Altersgenossen. In beengten Wohnverhältnissen ohne eigenen Schreibtisch ist an konzentriertes Lernen kaum zu denken. Viele Eltern möchten helfen, können aber nicht, weil ihnen die Grundlagen oder Sprachkenntnisse fehlen. ‹Studien aus den USA zeigen, dass lange Schulschließungen, die es dort aufgrund der bis zu dreimonatigen Sommerferien gibt, die sozialen Ungleichheiten vergrößern›, sagt Sozialwissenschaftler Marcel Helbig, der als Professor für Bildung und Soziale Ungleichheit an der Universität Erfurt arbeitet, ‹je länger die Schließungen dauern, desto größer können die Ungleichheiten werden.›»
«Sie zerreiben sich zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung und fallen abends todmüde ins Bett. […] Wenn ‹da draußen› die Geschäfte wieder öffnen und das Leben so langsam neu in Schwung kommt, sitzen Eltern mit ihren Kleinkindern weiterhin zu Hause und versuchen, der Arbeit und dem Nachwuchs so gut es geht gerecht zu werden.»
«Und das ohne Perspektive: Kitas müssten noch ‹sehr lange› geschlossen bleiben, sagte der [hessische] Ministerpräsident am Mittwochabend und verwies auf die hohe Ansteckungsgefahr unter Kleinkindern. Die Wahrheit ist aber auch: Es geht einfach nicht monatelang so weiter. Die Arbeit wird immer lauter rufen, die Kollegen werden weniger nachsichtig sein, die Chefs auch, der Jahresurlaub ist aufgebraucht, die Stimmung sinkt.»
«Die Höhe der Entschädigung beträgt 67 Prozent des Netto-Verdienstausfalls; für einen vollen Monat wird jedoch höchstens ein Betrag von 2.016 Euro gewährt, selbst wenn dieser Betrag unterhalb der 67 Prozent-Grenze liegt. Gezahlt wird die Entschädigung für längstens 6 Wochen.»
(…)
«Arbeit von Zuhause soll nach der Gesetzesbegründung als ‹zumutbare Betreuungsmöglichkeit› gelten. Beschäftigte, denen Arbeit von Zuhause zumutbar ist, werden von dem Recht auf Entschädigung ausgeschlossen. Bei Kindern im Kita- und Grundschulalter kann wohl kaum davon die Rede sein, dass Arbeit von Zuhause und Kinderbetreuung gleichzeitig möglich sind. (…) Gerade die Doppelbelastung durch Homeoffice und Kinderbetreuung ist für Eltern von kleineren Kindern eine wahre Zumutung – erst recht wenn sie über Wochen andauert.»
«Die Soziologin Nina Weimann-Sandig von der Evangelischen Hochschule Dresden warnt davor, dass es für Eltern zunehmend schwerer werde, berufliche, schulische und private Verpflichtungen aller Familienmitglieder unter einen Hut zu bringen. Sie ist sich sicher, dass die Coronazeit langfristige negative Auswirkungen auf das Familienleben im Freistaat haben wird. ‹Meine Hypothese ist, dass sich viele Familien mittlerweile am Rande eines Burn-out befinden. Das verursacht auf Dauer schwerwiegende gesundheitliche Probleme›, sagt sie.»
«Einer der Gründe für die anhaltende Überforderung: Während durch die Lockerungen der Coronabeschränkungen die Betriebe schrittweise wieder öffnen, bleiben Schulen und Kitas vorerst weitgehend zu. Folglich steigt die Belastung für den Elternteil, der weiterhin von zu Hause aus arbeitet.»
(…)
«Gleichzeitig gab ein Drittel der Eltern schulpflichtiger Kinder an, das geforderte Unterrichtspensum kaum noch mit den Kindern bewältigen zu können. Zu Beginn der Befragung lag dieser Wert bei rund 25 Prozent. Kinder aus sächsischen Familien, in denen die Eltern ein eher niedriges Bildungsniveau haben, leiden besonders stark. So sind rund zwei Drittel der Eltern ohne Schulabschluss und die Hälfte mit Hauptschulabschluss mit dem Homeschooling voll oder eher überfordert. Unter den Teilnehmern mit Hochschulabschluss ist es nur etwa ein Drittel.»
«Im DFB-Pokal-Finale der Saison 1998/99 siegt Werder Bremen nach einem harten Pokal-Fight gegen den Titelverteidiger und haushohen Favoriten aus München im Elfmeterschießen. Sehen Sie die komplette Begegnung mit dem Originalkommentar von Gerd Rubenbauer noch einmal.»