Alexander Stannigel www.alexander-stannigel.eu
Alexander Stannigel www.alexander-stannigel.eu Geschichte der Formel 1: Die 50er

Geschichte der Formel 1 Die 50er

Letzte Änderung: Oktober 2002
Diese Artikelserie stammt von DailyF1

Bereits während der ersten Saison galten im GP-Sport Grundsätze, die sich bis heute nicht verändert haben: F1-Fahrzeuge waren schon damals Konstruktionen, die nur für einen Zweck auf die Räder gestellt wurden - um zu siegen! Über allem stand zu Beginn der Nachkriegs-GP-Ära jene ungeschriebene Formel 1, die der geniale Autoentwickler Ferdinand Porsche zum Thema Rennwagenbau folgendermaßen formuliert hatte: Das perfekte Rennauto kreuzt als erstes die Ziellinie und zerfällt anschließend in seine Einzelteile. Der philosophische Hintergrund dieser überraschenden Weisheit: Funktioniert der Bolide nach erfolgreich getaner Arbeit immer noch, dann muss sich der Konstrukteur den Vorwurf machen, einzelne Komponenten überdimensioniert zu haben...

Rückblickend wirken die Autos jener Tage völlig untauglich für ihre Aufgabe, aber zeitgenössisch wirkten die Konstruktionen wie ihre Enkel zu Beginn des neuen Jahrtausends: Es waren technische Wunderwerke zum Zwecke des erdgebundenen Fliegens, die aus Chassis, Cockpit, Verkleidung, Motor, Tank und Rädern bestehen - und sonst gar nichts. Eines hatten die WM-Autos der ersten Generation gemeinsam: Der Motor lag vorn. Die Geister schieden sich allerdings bereits bei der Wahl des Motorenkonzepts. Das Reglement erlaubte aufladende Motoren - mittels eines Kompressors durften die Brennräume mit vorverdichteter Luft gefüllt werden. Der Hubraum der herkömmlichen Sauger war auf 4.5 Liter begrenzt, die Kapazität der Kompressor-Aggregate auf 1.5 Liter.

Dr. Giuseppe 'Nino' Farina beim ersten Grand Prix 1950 in Silverstone. Dr. Giuseppe 'Nino' Farina beim ersten Grand Prix 1950 in Silverstone.

Die typische Fahrgestellkonstruktion sah ein Rohrrahmenchassis vor. Der Tank war im Rücken der Fahrer platziert und bildete damit das Heck der Boliden. So entsprachen die Konzepte dem Stand der späten 30'er-Jahre. Die überfällige Revolution auf diesem Sektor lag jedoch schon in der Luft. Die wegweisende Konstruktion des Cisitalia-Porsche 360 mit Mittelmotor wurde aber aus finanziellen Gründen nicht bis zur Rennreife entwickelt.

Als stärkstes Team erwies sich auf Anhieb die Scuderia von Alfa Romeo, die als Piloten die drei 'Fa' unter Vertrag hatte: Dr. Nino Farina, Juan Manuel Fangio und Luigi Fagioli. Das Trio gewann nach Belieben und stellte mit Farina und Fangio auch die ersten Champions der F1-Geschichte. Erst im Juli 1951 musste Alfa die erste Niederlage einstecken, als sich in Silverstone der argentinische Ferrari-Pilot Froilan Gonzales durchsetzte.

Die mit Sicherheit interessanteste Konstruktion der frühen 50'er-Jahre war allerdings der erfolglose britische BRM, dessen gewagtes Konzept wegen Budget-Schwierigkeiten nicht zur gewünschten Reife gelangte. Die Engländer setzten beim Bau ihres Nationalrennwagens auf das klassische Rohrrahmenchassis mit einer De-Dion-Hinterachse. Als Motor diente ein 1.5-Liter-Aggregat mit 16 (!) Zylindern. Theoretisch sollte das Kraftpaket eine Leistung von 615 PS bei 12.000 Umdrehungen pro Minute entwickeln. Das angestrebte Ziel wurde mit 525 PS bei 10.500 Umdrehungen pro Minute nicht erreicht - unter anderem, weil die Vergaser der Firma SU nicht durch die geplante Einspritzanlage ersetzt wurden. Trotzdem wurde die Motorleistung der äußerst erfolgreichen Alfa Romeo 158 und 159 um mehr als 100 PS übertroffen. Der einzige Fehler des sensationellen BRM Typ 15: Der Verstoß gegen Ferdinand Porsches Formel 1 - der BRM zerfiel schon weit vor dem Ziel in seine Einzelteile...

Speziell die Kompressor-Motoren konnten - wegen der enormen thermischen Probleme - nicht mit herkömmlichem Benzin gefahren werden. Da das Reglement damals die Wahl des Treibstoffes freistellte, mischten die Spezialisten der Mineralölindustrie dem Sprit einen gewaltigen Prozentsatz Alkohol zur Kühlung bei.

Alberto Ascari, erster Ferrari-Champion, auf dem Eau-Rouge-Hügel in Spa. Alberto Ascari, erster Ferrari-Champion, auf dem Eau-Rouge-Hügel in Spa.

In den beiden Rennjahren 1952 und 1953 wurde die Fahrer-WM auf Autos der Formel 2 mit Motoren bis 2.000 ccm ausgetragen. So wie zuvor Alfa Romeo die Grand Prix' beherrscht hatte, war es jetzt Ferrari mit den Typen 500 und 553. Alberto Ascari fuhr die kleinen Wagen von Sieg zu Sieg. 1952 triumphierte der Italiener sechsmal und wurde Champion. Im Jahr der erfolgreichen Titelverteidigung kreuzte er die Linie fünfmal als Erster. Aufgrund des geringen Hubraums erreichte der Ferrari-Vierzylinder nicht mehr als 190 PS. Damit waren die Grenzen des Machbaren beinahe schon erreicht. Nur Maserati kitzelte noch mehr Leistung aus den Motoren. Mit knapp über 200 PS wurde ein neuer Weltrekord für Saugmotoren aufgestellt. Das war der Durchbruch durch die Schallmauer von 100 PS pro 1.000 ccm Hubraum.

Auf dem Chassis-Sektor traten die Ingenieure unverändert auf der Stelle, und auch der Aerodynamik wurde nur äußerst geringes Interesse geschenkt.

Mit der Saison 1954 begann die 2.5-Liter-Formel und damit die Phase, die den F1-Sport im technischen Bereich um drei wichtige Schritte nach vorne brachte. Verantwortlich hierfür waren die Teams Mercedes, Connaught und Cooper.

Die Deutschen betraten die GP-Szene mit einem Doppelsieg: Juan Manuel Fangio siegte knapp vor Karl Kling. Bis zum Ende des folgenden Rennjahres trat Mercedes anschließend noch elfmal an und gewann weitere acht Grand Prix'. Fangio wurde 1954 und 1955 Champion.

Diesen Fangio, der schon 1951 auf Alfa Romeo Weltmeister werden konnte, hatte der legendäre Mercedes-Rennleiter Alfred Neubauer mit allen Tricks umworben. Als 'Don Alfredo' zu Vertragsverhandlungen nach Deutschland einlud, griff er ganz tief in die Firmenkasse und reservierte für den argentinischen Superstar ein Hotelzimmer mit Bad. Die heutigen GP-Piloten wissen vermutlich nicht, dass es jemals Hotelzimmer ohne Bad gegeben hat.

Die erfolgreichen Mercedes-Motoren verfügten über acht Zylinder und eine direkte Benzineinspritzung. Damit waren die Tage der Vergasermotoren gezählt, auch wenn das System der Bosch-Direkteinspritzung später einer raffinierteren Technik (indirekte Saugrohreinspritzung) weichen musste. Wie in den aktuellen F1-Motoren, suchte man im Inneren der Mercedes-Aggregate vergeblich nach Ventilfedern. Die Ventile wurden über Nockenwellen und Schlepphebel zwangsgesteuert, um das Flattern zu verhindern. Auf den Trick mit der Druckluft sollte erst mehr als 30 Jahre später die Firma Renault kommen.

Juan Manuel Fangio drückte den Roaring Fifties seinen Stempel auf. Juan Manuel Fangio drückte den Roaring Fifties seinen Stempel auf.

Noch waren alle F1-Autos mit Trommelbremsen ausgerüstet. Den Siegeszug der Scheibenbremsen leitete 1955 das britische Team Connaught ein, als der englische Zahnarzt Tony Brooks in Italien den Grand Prix von Syrakus, ein Rennen ohne WM-Status, gewann. 1958 bauten dann Ferrari-Mechaniker während des Trainings für den Grand Prix von Italien die Scheiben aus einem Serien-Ferrari-Sportwagen aus - und in einen F1-Boliden ein.

Fast unbeobachtet schlich sich am 16. Juli 1955 eine Innovation in die Formel 1 ein, die sich schon bald als unschlagbar herausstellen sollte: Im englischen Aintree tauchte ein gewisser Jack Brabham auf. Der Australier pilotierte einen Cooper, dessen 2.0-Liter-Bristol-Motor im Rücken des Fahrers eingebaut war. Diese Bauweise sollte sich bereits ab 1959 als so stark erweisen, dass die Frontmotorkonstruktionen für immer verdrängt wurden.

Bis Ende des Jahres 1957 durfte der Treibstoff frei gewählt werden. Mercedes setzte zum Beispiel auf folgendes Rezept: 45 Prozent Benzol, 25 Prozent Methylalkohol, 23 Prozent Flugbenzin, drei Prozent Aceton und zwei Prozent Nitrobenzol. Die restlichen zwei Prozent sind bis heute ein Geheimnis. Das brisante Gemisch reagierte derart aggressiv, dass Restbestände nach den Trainings- und Renneinsätzen abgelassen werden mussten. Anschließend wurde der Motor mit herkömmlichem Sprit durchgespült - ohne diese Vorsichtsmaßnahme hätte er über Nacht Schaden genommen. Von 1958 bis Ende 1960 musste dann Flugbenzin mit 130 OZ getankt werden, nachdem die Mineralölsponsoren der Teams darauf gedrängt hatten, handelsübliches Benzin vorzuschreiben, um dem Gesundheitsschutz Rechnung zu tragen und um so einen besseren und glaubwürdigeren Produkttransfer zwischen den Fans und der Formel 1 herzustellen.

Schon damals war eine gute Idee allein noch kein Garant für den Erfolg, wie zwei Beispiele aus Italien zeigen: Alfa Romeo experimentierte mit einem vierradgetriebenen Boliden, dessen Cockpit hinter der Hinterachse angeordnet war. Die Kollegen von Ferrari brachten einen 2.5-Liter-Zweizylinder (!) auf den Prüfstand, der zwar wenig Leistung, aber ein unglaubliches Drehmoment versprach.

Die Piloten von damals pflegten eher traditionelle Tugenden - ihre Fairness erinnerte geradezu an mittelalterliche Ritterlichkeit. 1956 zum Beispiel trat Peter Collins - selbst klar auf Titelkurs - seinen Ferrari in Monza während des Rennens an den Teamkollegen Fangio ab. Nur dieser großherzigen Tat verdankte der Argentinier seinen vierten WM-Titel. 1958 sollte der britische Ferrari-Fahrer Mike Hawthorn nach dem Grand Prix von Portugal disqualifiziert werden. Ausgerechnet sein ärgster Widersacher, Stirling Moss, verhinderte durch eine Falschaussage die Disqualifikation. In der Endabrechnung fehlte Moss ein Punkt, um an Hawthorns Stelle Champion zu werden. Moss selbst wurde nie Weltmeister...