«Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen Ex-Konzernchef Markus Braun, den früheren Vorstand Jan Marsalek und weitere Manager wegen verschiedener mutmaßlicher Delikte, darunter Bilanzfälschung und Manipulation des Börsenkurses. Die Strafverfolger verdächtigen Wirecard, bereits von der Jahresbilanz 2015 an mit falschen Zahlen gearbeitet zu haben. Angebliche Treuhandkonten, auf denen nach offiziellen Angaben des Konzerns eine Milliardensumme lag, hätten gar nicht existiert.»
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«Sollten die bisherigen Erkenntnisse und Verdachtsmomente der Ermittler zutreffen, dann hätten alle Aufsichtsorgane und Prüfer ein halbes Jahrzehnt lang nicht bemerkt oder wahrhaben wollen, was sich bei Wirecard abspielte. Das gilt auch für die deutsche Finanzaufsicht Bafin (…) Dabei sei […] auch darauf hingewiesen worden, dass es sich bei diesen Partnern im Wesentlichen um Schein- und Briefkastenfirmen handele, notierten die Ermittler.»
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«Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt inzwischen auch wegen Veruntreuung von Firmenvermögen gegen Braun, Marsalek und weitere Wirecard-Manager. Der Konzern habe Firmen in Asien Kredite bis zu 365 Millionen Euro gewährt, ohne Sicherheiten zu verlangen. Genauso dubios erscheint den Strafverfolgern auch ein Geschäft über eine Briefkastenfirma auf Mauritius, bei dem 315 Millionen Euro abflossen. Der Verbleib des Geldes ist unklar.»
«Als Puffer halten Acquirer hohe Geldbeträge auf Konten vor. Die vermeintlichen 1,9 Milliarden Euro von Wirecard auf philippinischen Konten waren offiziell als ein solcher Puffer deklariert. (…) Am wertvollsten erscheint der Acquiring-Bereich, der laut Wirecard für Transaktionen in zweistelliger Milliarden-Euro-Höhe stand und jedes Jahr Umsätze im hohen dreistelligen Millionen-Bereich generierte. Doch diese Zahlen waren wohl weit übertrieben.»
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«Wirecard wickelte den Zahlungsverkehr für Kunden wie den Flughafen München oder BASF ab. Vor einem Jahr wurde die Kooperation mit Aldi Süd verkündet. Doch der prominenteste Kunde sprang nach der Insolvenz ab. (…) ‹Kein Händler hat Unsicherheit in seinem Zahlungsverkehr gern, deshalb schauen sie sich jetzt schnell nach anderen Anbietern um›, sagt Ernst Stahl, Zahlungsexperte des Ibi-Instituts an der Universität Regensburg. Die Kundenbeziehungen sind für einen möglichen Investor das Wertvollste, über die technische Plattform verfügen Konkurrenten […] selbst. Im Onlineshop dauere ein Wechsel des Zahlungsdienstleisters eine Woche, wenn es schnell geht, der Austausch von Kartenzahlgeräten in den Läden brauche mehrere Wochen.»
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«Auch bei anderen Teilen von Wirecard ist die Lage unübersichtlich: Die US-Sparte hat angekündigt, sich selbst zum Verkauf zu stellen, die Herausgabe von Kreditkarten (‹Issuing›) ist als Geschäftsfeld klein — und in Asien weiß man gar nicht, ob es dort überhaupt Geschäft gibt. Wenigstens scheinen die Einlagen von Kunden bei der Wirecard-Bank sicher, sie sei nicht in Insolvenz, betont Verwalter Jaffé.»
«Leidtragende sind vor allem die 5800 Mitarbeiter. (…) Die Belegschaft hat in der Branche einen hervorragenden Ruf als innovativ und kundenorientiert.»