«Ein Schwarzer Schwan ist demnach ein Ereignis, das weit außerhalb der regulären Erwartungen liegt und enorme Auswirkungen hat. Zudem neigt die menschliche Natur dazu, im Nachhinein nach Erklärungen für das Unerwartete zu suchen, nicht jedoch im Voraus. Beispiele sind der 11. September, der Fall der Berliner Mauer oder die Erfindung des Internets.»
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«‹[Die Modelle der Ökonomen] sind komplett wertlos›, meint Taleb, der selbst an der Wall Street als Finanzmathematiker und Fondsmanager gearbeitet hat und sich stets weigerte, Prognosen abzugeben. Heute ist Taleb Professor für Risikoanalyse an der Universität von New York, sein Spezialgebiet ist der Umgang mit Phänomenen wie Zufall, Unsicherheit und Nichtwissen. Den Ökonomen hält er vor, dass ihre Modelle statistische Ausreißer systematisch ignorieren. (…)»
«(…) Wählt man 100 Menschen zufällig aus und misst deren Körpergröße, so wird das Hinzutreten des größten Mannes der Welt, selbst wenn er drei Meter groß wäre, den gemessenen Durchschnitt kaum verzerren. (…) Die größte Beobachtung mag hier zwar beeindruckend sein, für die Gesamtsumme bleibt sie aber bedeutungslos. (…) Erfasst man beispielsweise das Vermögen dieser 100 zufällig ausgewählten Menschen und fügt nun zu der Stichprobe den reichsten Mann der Welt hinzu, dann wird der Durchschnitt explodieren. (…) Dort kann ein einzelnes Ereignis alle anderen dominieren.»
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«‹Eine kleine Zahl Schwarzer Schwäne erklärt so ziemlich alles in unserer Welt, vom Erfolg von Ideen und Religionen über die Dynamik geschichtlicher Ereignisse bis zu Elementen unseres persönlichen Lebens.› (…) So hatte er bei Ausbruch des Libanon-Krieges – für Taleb ein Schwarzer Schwan, der aus dem Nichts aufgetaucht war – beobachtet, dass sich die Erwachsenen um ihn herum sicher waren, dass der Konflikt ‹schon in ein paar Tagen› vorbei sein würde. Der Krieg dauerte schließlich 15 Jahre. ‹Die Dynamik des Libanonkonflikts war offensichtlich nicht vorhersehbar gewesen, aber fast alle, denen die Sache wichtig war, schienen überzeugt zu sein, dass sie wissen, was vor sich geht.›»
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«‹Die Globalisierung könnte den Anschein von Effizienz erwecken, doch die dabei wirkende Leverage und Interaktion zwischen den Teilen werden dazu führen, dass kleine Risse an einer Stelle sich durch das ganze System ausbreiten.› (…) Für die New Yorker waren die Anschläge vom 11. September ein Schwarzer Schwan, nicht aber für die Attentäter. Für modellgläubige Ökonomen war die Finanzkrise ein Schwarzer Schwan, nicht aber für Taleb. Für ihn war die Krise lediglich ‹das Ergebnis von Fragilität von Systemen, die blind gegenüber Schwarzen Schwänen sind›. ‹Manche bezeichnen die Pandemie […] als Schwarzen Schwan – also ein völlig unerwartetes Ereignis, auf das nicht vorbereitet zu sein entschuldbar ist. […] Eine globale Pandemie [ist] dort klar und deutlich als weißer Schwan figuriert – als ein Ereignis, das mit Gewissheit irgendwann eintreffen wird. Solche Pandemien sind unvermeidlich, (…)›»