Wie kommt ihr darauf, dass «die Bundesländer plötzlich von einer ‹Cloud-TSE› reden. (…) Nun sollen die Kassen auf einmal aus einer Datenwolke gesichert werden können.»? [0]
Das Gesetz schreibt an keiner Stelle eine Hardware-Signaturlösung vor und das BSI sieht explizit Cloud-Signaturlösungen zur Zertifizierung vor. [1]
In den «südeuropäischen Ländern» kommt zumeist ein zertifizierter und verplompter Bondrucker («Fiskaldrucker») zum Einsatz. In Österreich gilt die Bonsignierungspflicht seit 1. April 2018 — auch mit Verzögerung — und erlaubt sowohl Hardware- als auch Cloud-Signaturlösungen.
Es sind eben nicht «bundesweit etwa zwei Millionen Registrierkassen beispielsweise in Friseursalons, Nagelstudios oder Currywurstbuden» betroffen, die ihren lokalen Vetriebsanbieter haben, sondern davon auch hunderttausende Kassen bei Filial-Einzelhändlern.
Mittlere und große Einzelhändler setzen wie auch in Österreich überwiegend auf Cloud-Signaturlösungen — einfach weil sie damit nicht regelmäßig ihre Techniker durchs Land schicken müssen, um an tausenden Kassen die Signaturhardware zu tauschen. Die Hardware-Token müssen nach etwa drei Jahren Einsatz getauscht werden, da die elektronischen Zertifikate (nicht die BSI-Zertifizierungen) erneuert werden müssen. Im Rechenzentrum macht das Cloud-Anbieter selbst und unterbrechungsfrei.
Fiskaly ist — anders als der im Artikel erweckte Eindruck
— nicht der einzige, sondern einer von einem halben Dutzend Anbietern, die teilweise seit letztem Oktober (!) ihre Cloud-Signature-Lösungen in der Zertifierung haben. Und alle Anbieter haben im Verbund mit mittleren und großen Einzelhändlern gemeinsam darauf hingewirkt, die Nichtbeanstandungsregelung zu verlängern.
Schließlich haben BSI und BMF erst im Frühjahr bzw. Sommer 2019 die technischen und rechtlichen Rahmenbedinungen bestimmt [2][3] und das BSI hat gerade erst vor ein paar Wochen die Vorraussetzungen für eine Zertifizerung nochmal geändert (!) [4] und wann die seit fast einem dreiviertel Jahr laufenden Zertifizierungen abgeschlossen werden können, ist immer noch nicht ganz klar.
Eigentlich gibt es auch nicht vier [5], sondern nur zwei unterschiedliche Hardware-Lösungen. [6] Epson und Diebold Nixdorf integrieren die Swissbit-Hardware.
«Die Länder führen an, die Unternehmen hätten unter der Corona-Krise so gelitten, (…)» Darüber hat vielfach auch die Süddeutsche Zeitung berichtet. Was soll der Konjunktiv?
Weder Hardware- noch Cloud-TSE sind kostenfrei und ohne Aufwand für Einzelhändler einzusetzen.
Dass sich das BMF hinstellt, als ginge es das alles nichts an, ist einfach ignorant. Oder arrogant. Oder eine unschöne Mischung aus beidem. Und eine massive Wettbewerbsverzerrung zugunsten von Swissbit sowie Epson und Diebold Nixdorf. Gerade wenn Einzelhändler, die sich eigentlich auf eine Cloud-Signaturlösung festgelegt hatten, nun auf die Schnelle Hardware-Signaturlösungen einkaufen und ausrollen müssen.
Eigentlich ist das alles eine tolle Grundlage für eine Geschichte über «Technologieoffenheit» und den Cloud-Standort Deutschland …