«[Die im Frühjahr 1990 gegründete Treuhandanstalt] sollte ab März 1990 zunächst im Auftrag des ‹Zentralen Runden Tisches› das ‹Volksvermögen› bewahren. Ab Juli 1990 sollte die Treuhand schließlich nach Beschluss der Volkskammer Tausende Betriebe der DDR unter der Führung erfahrener westdeutscher Industriemanager, Unternehmer und Beamter schnellstmöglich ‹entstaatlichen›, also vor allem privatisieren, sanieren oder aber abwickeln.»
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«Ursprünglich, im Sommer 1990, standen rund 8.500 Betriebe in 370 Kombinaten mit über vier Millionen Beschäftigten in den Büchern der Treuhandstelle. (…) Gut drei Viertel der Betriebe ging dabei an westdeutsche Investoren, meist größere Unternehmen. (…) Von den am Ende durch Aufspaltungen entstandenen knapp 12.500 Betriebseinheiten wurden letztlich 53 Prozent privatisiert (…) Die restlichen 30 Prozent wurden schließlich stillgelegt beziehungsweise ‹abgewickelt›. (…) Die Betriebe [hatten] ihr Personal im Laufe der Jahre durch beträchtliche Massenentlassungen erheblich reduziert. Von den ursprünglich vier Millionen Arbeitsplätzen blieben nach der Arbeit der Treuhandanstalt knapp eine Million erhalten. (…) In den frühen Neunzigerjahren fand durch die Hände der Treuhandanstalt eine energische Umwandlung von (DDR-)Volkseigentum in zumeist westdeutsches Privateigentum von immensem Ausmaß statt (…) Während manche Branchen wie Dienstleistungen, Energie, Finanzen, Versicherungen und Verlage als besonders attraktive ‹Perlen› sehr schnell einen westdeutschen Abnehmer fanden, ließen sich für die die DDR-Planwirtschaft dominierenden, klassischen Großindustrien wie beispielsweise Werkzeug- und Maschinenbau, Metallurgie, Chemie, Textil und Werften nur schwer finanzkräftige Investoren aufspüren.»
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«Während gerade ehemalige westdeutsche Politiker und Treuhandexperten mit Nachdruck hervorheben, wie abgrundtief marode die im Jahr 1990 vorgefundenen Betriebe der DDR-Planwirtschaft mit ihren veralteten Produkten, verschlissenen Maschinen oder heruntergekommenen Fabrikhallen gewesen seien, betonen gerade ostdeutsche Betroffene hartnäckig deren prinzipielle Wettbewerbsfähigkeit – oftmals unter Verweis auf vor 1989 erfolgreich getätigte Exporte nach Westdeutschland. Nach dieser kritischen Lesart sei die potentielle ostdeutsche Konkurrenz gerade durch die Treuhandanstalt ab 1990 an westdeutsche Konzerne ‹verscherbelt› oder aber im Ansatz bereits ‹plattgemacht› worden. Die ostdeutsche Bevölkerung sei so um ihr hart erarbeitetes Vermögen letztendlich betrogen worden.»
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«Diese sich hier nun im Laufe des Geschäftsalltags zusammenballende Datenfülle wurde jedoch nicht nur für die jeweiligen betrieblichen Bewertungs- und Privatisierungsvorgänge als Entscheidungsgrundlage genutzt. Intern rief die Treuhandspitze um Birgit Breuel gerade 1991/92 einen regelrechten Privatisierungswettbewerb zwischen einzelnen Direktoraten und Niederlassungen aus, veröffentlichte zum Vergleich die Kennzahlen der erfolgreichsten Privatisierungsdirektorate oder knüpfte individuelle Bonuszahlungen für Führungskräfte an die Erreichung bestimmter Zielvorgaben. (…) In dieser erinnerungskulturellen Rückschau hat gerade die Treuhand die ostdeutsche Bevölkerung im Interesse westdeutscher Konzerninteressen enteignet.»