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Chronikbeitrag
Alexander Stannigel — hat drei Artikel geteilt:Dienstag, 4. August 2020
Ganz wichtige Prioritäten-Setzung:
Die Stadt Düsseldorf veröffentlicht ein Video zur Ansprache an «die Partyszene», um diese zum Einhalten der Coronaregeln zu bewegen — und nimmt dieses später wieder aus dem Netz, weil der Rapper zwar ein zielgruppengerechter Bote ist, aber eine lange Reihe sexistischer und gewaltverherrlichender Tracks veröffentlicht hat.
Zur gleichen Zeit werden Studentinnen angefeindet, die sich dafür einsetzen, dass ein Volkslied auf Volksfesten nicht mehr angestimmt wird, in dem eine Vergewaltigung fröhlich besungen wird — weil das ein Angriff auf Traditionen und Kultur sei.
Zudem herrscht in der Schlagerwelt seit Jahrzehnten ein Weltbild vor, dass …
Und die enormen Formen gingen mir nicht aus dem Kopf. (...) Dies Mädchen blieb bei Mondenschein genauso zugeknöpft (...) Mach' doch endlich mal ein Knöpfchen für mich auf. (Bata Ilić – Knopf an deiner Bluse, 1976)
Nein heißt ja | Wenn man lächelt so wie Du (G.G. Anderson, 2000)
Ich bin nun mal ein Mann der Taten | Ich red' nicht lang herum | Bei mir muss keine zu lang warten (Hansi Hinterseer – Männer aus den Bergen, 2004)
Ich sollte dich nicht mit all meinen Sinnen begehren | Als ob wir nicht schon beide vergeben wären (...) Warum hast du nicht nein gesagt | Es lag allein an dir (Roland Kaiser, Maite Kelly, 2014)
Ich zeig dir gerne meinen goldenen Colt | Komm sei ehrlich, das hast du so gewollt (Fantasy – Dein Herzspion, 2020)
(an mir vorbeigescrollte Beispiele)
… ein Weltbild, dass erstens aussagt: Eine Frau hat willig zu sein, ob sie will oder nicht. Und zweitens: Wenn Mann es sich hinterher anders überlegt, ist es die Schuld der Frau — ziemlich das gleiche Weltbild, dass Farid Bang und Kollegen verbreiten, nur mit dem Unterschied, dass sich daran niemand zu stören scheint.
Also: Sexismus im Hip-Hop: Problem, wichtiger als die Covid-19-Eindämmung – Sexismus im Schlager: Kulturgut?!
«Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) versucht mit Influencer Marketing eine bestimmte Schicht der Jugend zu bedachtem Verhalten in Sachen Corona zu überreden. Dazu hat er den Rapper Farid Bang engagiert. (…) Jener Farid Bang ist eine sehr umstrittene Person. Das liegt maßgeblich an einer einzigen gerappten Zeile. Sie lautet: ‹Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen›. (…) Farid Bang hat sich für diese Zeile – und für eine andere, die heute kaum noch zitiert wird, – entschuldigt, er ist nach Auschwitz gefahren, er ist im Anschluss (so weit ich sehen kann) weder durch rechte Äußerungen, noch durch Antisemitismus auffällig geworden.»
(…)
«Die Überschneidung der Fans der Toten Hosen mit jenen, die Farid Bang hören, dürfte an Tagen wie diesen höchst überschaubar sein. Die Broilers existieren seit 28 Jahren und haben somit auch nur noch einen Hauch jugendlicher Frische. Und die Antilopengang dürfte kaum jene ansprechen, die Gangsta-Rap mit Streetcredibility hören. All dies spricht nicht gegen die Bands und ihre Qualität. Sie ins Rennen zu bringen, zeugt aber von der Haltung vieler Entscheider, Bildungsbürger, Mittelschichtler und vor allem alter (ich bin auch alt) Menschen gegenüber der Realität der Gesellschaft. Diese Realität lautet: Hiphop und Rap sind die wichtigsten Einflüsse auf die Popkultur dieser Jahre.»
(…)
«Farid Bang ist eher nicht antisemitisch – doch ein weiter Teil der Musik, die junge Menschen heute hören, ist systematisch frauenfeindlich und gewaltverherrlichend, darunter Farid Bang und Kollegah. (…) Zu weite Teile des deutschen Rap bestehen aus solchen Elementen, die Werte transportieren, die verachtenswert sind. Nur sollten wir dann darüber eine gesellschaftliche Debatte führen.»
(…)
«Wenn man glaubt, dass Influencer diese Personen zu einer anderen Verhaltensweise bringen können, dann ist Farid Bang als in Düsseldorf lebender Rapper mit Streetcred eine logische Wahl. Denn auf die Hosen, die Broiler oder die Antilopengang werden diese jungen Menschen so sicher hören wir auf Heino, Laschet oder Jochen Busse. (…) Die Debatte zeigt für mich die Entkopplung vieler Entscheider und Eliten von einem gehörigen Teil der Gesellschaft. Man muss Farid Bang nicht mögen. Man darf ihn hart kritisieren. Aber man solle auch versuchen zu verstehen, warum so viele Menschen ihn hören. Es ist bezeichnend, dass keiner der Kritiker eine ihm vergleichbare Alternative für solch einen Aufruf nennen können.»
«Musiker Farid Bang appelliert – wie schon andere Düsseldorfer Persönlichkeiten vor ihm – an die Bürgerinnen und Bürger sowie an Besucherinnen und Besucher der Stadt und explizit an die Partyszene: Haltet die Corona-Regeln ein!»
«Schon seit Generationen wird bei allerlei Festen das Donaulied angestimmt, ein Sauflied, bei dem der bierseligen Masse das Mitgrölen nicht schwerfällt. Dieses Lied hat aber vermutlich keine große Zukunft mehr, denn wer wird es künftig wagen, die Vergewaltigung eines schlafenden Mädchens zu besingen? Es ist seltsam, dass der Text so lange ignoriert und akzeptiert wurde: ‹Ich machte mich über die Schlafende her, Ohohoholalala, …› Die eingängige Melodie hat den Text bislang gehörig überdeckt.»
(…)
«Im Internet trat sie damit eine zum Teil aggressiv geführte Diskussion los, die sich um die Frage dreht, ob so ein Lied Teil der heimischen Kultur sein könne. Während die einen reflexartig einen Angriff auf alte Traditionen wittern, beurteilen andere wie etwa der Freiburger Kulturforscher Michael Fischer den Text des Donauliedes ‹aus heutiger Sicht als unerträglich›. Das Lied, dessen Ursprung im 19. Jahrhundert zu verorten ist, habe in den Fassungen mit den sexuellen Inhalten nichts mit Humor oder Traditionspflege zu tun. (…)»
«In den vergangenen Jahrzehnten sind Texte von Volksliedern selten hinterfragt worden, erst recht nicht mit Blick auf möglichen Sexismus. Ebenso wenig geschieht das bei Schlagertexten, in denen oft unverhohlen sexuelle Inhalte zum Ausdruck kommen; man höre sich dazu alte Liedtexte von Roland Kaiser, Peter Maffey, Andy Borg, aber auch von Helene Fischer genauer an, ganz zu schweigen von sexistischen Texten der Rockmusik, etwa bei den Rolling Stones. Diese werden noch übertroffen von der extrem frauenverachtenden Kultur der Rapmusik, die sich ungeachtet dessen größter Beliebtheit erfreut.»