«Einerseits hat das Regime begonnen, Teile [der Wirtschaft] zu entstaatlichen – zuerst die Landwirtschaft. Andererseits ist die staatliche Versorgung mit der Hungersnot in den späten 1990er-Jahren zusammengebrochen; seither ist von unten eine Marktwirtschaft entstanden. Damit hat sich Nordkoreas Produktivität deutlich verbessert.»
(…)
«Kim Jong-un war noch nicht einmal 30 Jahre alt, als er ziemlich unvorbereitet die Macht über ein marodes System übernehmen musste. […] Nachdem der Vater 2008 einen Schlaganfall erlitten hatte, war er im Schnelldurchgang durch verschiedene Ämter geschleust worden. […] Inzwischen hat Kim seine Macht konsolidiert. Im Apparat hat er einen Generationenwechsel vollzogen und eigene Leute um sich geschart. Dazu gehört seine Schwester Yo-jong.»
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«[Kims Onkel Onkel Jang Seong-taek] galt als Reformer, der Chinas Weg kopieren wollte. […] Jang Jin-sung, ein prominenter Überläufer, schrieb damals, Kim selber habe keinerlei Macht, er sei nur eine Marionette von Hintermännern im Organisationsbüro der Partei. Diese hätten Jangs Hinrichtung befohlen, nicht er. Sie hätten ihn damit gewarnt, er solle nicht glauben, er regiere Nordkorea. Einige Tage nach Jangs Hinrichtung saß Kim mit aschfahlem Gesicht, als sei er schwer krank, stumm auf einer Parteiversammlung. Das war ein anderer Mensch als der selbstbewusste, gewandte Machthaber, als der er jetzt auftritt. Und der Nordkorea nun offenbar selber steuert.»
«‹Uli› Gack hat es getan. Der Leiter des ZDF-Studios in Kairo hat in einer Live-Schalte der ZDF-Nachrichten Augenzeugenberichte des vermeintlichen Giftgasangriffs auf die syrische Stadt Duma wiedergegeben, die der offiziellen Sprachregelung der Regierungen in Washington, London, Paris und Berlin widersprechen. Dieser kleine Ausflug in eine differenziertere Berichterstattung wurde sogleich von den Kollegen bei BILD und Focus mit einer kaum zu glaubenden Vehemenz attackiert. Der angesehene Journalist war plötzlich ein ‹Verschwörungstheoretiker› und ‹Assad- und Putin-Propagandist›, der entweder ‹keine Ahnung hat› oder ‹bewusst lügt›. Das ZDF stellte sich daraufhin nicht etwa – wie es sich eigentlich gehören sollte – vor seinen eigenen Mitarbeiter, sondern distanzierte sich ausdrücklich. Nun muss Gack offenbar Aussagen aus ‹nicht bundesregierungskonformen› Quellen speziell als ‹potentielle Propaganda› kennzeichnen. Für konforme Quellen gilt dies freilich nicht. Und Gack ist damit kein Einzelfall.»
«Politische Parteien, die als regierungsfähig gelten, werden in der westlichen Demokratie zwischen Washington, Paris, London, Seoul und Tokio routinemäßig von Unternehmen und Banken (mit)finanziert – das ist eine ebenso bekannte wie banale Tatsache. Die Bundesrepublik Deutschland ist aber der einzige größere Staat mit demokratischem Anspruch, in dem die als regierungsfähig erklärten Parteien sofort von Beginn an durch Privatunternehmen finanziert wurden, ja ohne diese Umstände vermutlich nicht in die Regierung gekommen wären.»
«Dies betrifft (bis heute) CDU, CSU, FDP, daneben die 1961 aufgelöste rechtsradikale Partei DP (Deutsche Partei), die ab 1949 zu allen drei Regierungskoalitionen des Bundeskanzlers Adenauer gehörten. Sie alle waren erst nach 1945 vor Gründung der Bundesrepublik gegründet worden, vorher gab es sie nicht. Sie hatten deshalb zunächst kein Vermögen und wenig zahlende Mitglieder. Sie standen den Parteien SPD und KPD gegenüber, die zwar durch das Hitler-Regime bekämpft und geschwächt worden waren, aber sich rasch reorganisierten, über Vermögen und auch über moralische Autorität verfügten, da sie Widerstand gegen die Nazis geleistet hatten (das galt teilweise auch für den gewerkschaftsnahen Teil der Zentrumspartei, zu dem Adenauer nicht gehört hatte). Die staatliche Parteienfinanzierung gab es noch nicht.»
«Arrivederci Italia? No! Die Wirtschaft des Landes wird oft miesgemacht. Das ist töricht. — […] Italien ist jedoch nicht Griechenland. Es ist trotz der Krise der zweitgrößte Industriegüterhersteller Europas. Diese Stärke verdankt das Land maßgeblich der Attraktivität seiner Produkte auf den internationalen Märkten. 2016 erzielten die Unternehmen einen Handelsbilanzüberschuss von mehr als 51 Milliarden Euro. Italien belegt damit in Europa hinter Deutschland und den Niederlanden den dritten Platz. In diesem Jahr legen die Ausfuhren um sieben Prozent zu. ‹Made in Italy› ist auf den Weltmärkten ein Qualitätsversprechen – wie, pardon, ‹Made in Germany›. 2017 wird Italien mit 450 Milliarden Euro sein bestes Exportergebnis aller Zeiten einfahren. In den akademischen Zirkeln löst das Verwunderung aus – man rätselt über die seltsame Wettbewerbsfähigkeit Italiens.»
«Donald Trumps Wahlsieg vor einem Jahr war ein Schock für Linke und Liberale im Westen. Um sich und anderen zu erklären, was passiert ist, greifen sie immer wieder zu einer Theorie: Nationalisten von Trump bis zur AfD verdanken ihren Aufstieg nur dem Internet, vor allem der vermeintlich dunklen Macht der sozialen Medien. […] — Brexit, Trump und AfD sind in erster Linie Symptome einer politischen Krise. Teile der liberalen Öffentlichkeit reagieren auf diese aber mit einer Art Techno-Paranoia und suchen die Schuld im Digitalen. Sie erklären komplexe politische Ursachen wie die Nachteile der Globalisierung oder die Wunden der deutschen Einheit zu einem technischen Problem: Die Wähler von AfD und Trump wurden halt im Internet manipuliert, da muss Facebook doch was tun! Dass die Wähler wussten, was sie taten, dass die Netzwerke in erster Linie gesellschaftliche Probleme abbilden, scheint unvorstellbar.»
«Donald Trump ist ein erfolgreicher Präsident. Doch, wirklich. Schafft man es, sich nicht von seinen persönlichen Entgleisungen ablenken zu lassen, wird klar: Trump krempelt die USA gerade ziemlich um. Er macht vieles von dem rückgängig, was Vorgänger Barack Obama neu eingeführt hat. — 50 Dekrete hat Trump im ersten Dreivierteljahr seiner Amtszeit erlassen. Keiner seiner Vorgänger in den vergangenen 50 Jahren hat so aktiv angefangen. Zudem hat er bereits mehr als 800 Vorschriften und Auflagen aus der Obama-Ära zurückgenommen – die größte Deregulierung seit Ronald Reagan in den Achtzigerjahren. In den Bereichen Umwelt und Justiz sind die Umwälzungen bereits jetzt enorm. Ebenso bei der Einwanderungspolitik. Die Veränderungen für die USA könnten einschneidender sein, als viele sich vorstellen wollen.»
«[…] Zum Jahrestag des Trump-Siegs wird die Frage Wie konnte das passieren? erneut debattiert. Gerade für Deutsche ist es interessant, jene knapp 63 Millionen Trump-Wähler sowie deren unterschiedliche Motive zu studieren. Dieser Block ist eben nicht homogen und wer weiter denkt, dass Trump nur von weißen, wütenden, rassistischen Männern gewählt wurde, wird die Vorgänge jenseits des Atlantiks noch weniger verstehen (hier muss aber betont werden, dass die sexistischen und fremdenfeindlichen Sprüche von Kandidat Trump bestens belegt waren und von all diesen Wählern toleriert, ignoriert oder irgendwie rationalisiert wurden). — Mittlerweile liegen umfangreiche Daten zur Präsidentschaftswahl 2016 vor. Alle vier Jahre befragt die parteiunabhängige Stiftung Democracy Fund für die Voter Study Group 8000 Amerikaner und Emily Ekins, Meinungsforscherin beim libertären Thinktank Cato, hat die Trump-Wähler in fünf Kategorien eingeteilt.»
«Motorsport Network [unter anderem] folgende Unternehmen in den letzten Jahren aufgekauft:
«2012 – Motorsport.com
Oktober 2016 – Haymarket (autosport.com, F1 Racing, LAT Fotoarchiv)
November 2016 – MotorsTV
Februar 2017 – Forix (größte F1 und Motorsport Datenbank)
April 2017 – Sutton Images (Foto Archiv)
August 2017 – Schlegelmilch (Foto Archiv)
September 2017 – Sport Media Group [(‹Motorsport Total›, formel1.de)]
…»
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«Da kommt also ein völlig unbekannter Player und kauft alles auf, was in der unabhängigen Motorsport-Berichterstattung Rang und Namen hat. (…) Ein Name taucht in den Unterlagen aber immer wieder auf: Mike Zoi. Dabei handelt es sich um einen russisch-amerikanischen Geschäftsmann, der laut Bloomberg an mehreren Unternehmen beteiligt ist. Viel Geld soll Zoi mit Ener1 Group LLC und Enersoft Inc gemacht haben. Ener1 Group verdient Geld durch Investitionen im Bereich neue Antriebstechnologien (Akkus etc.), Enersoft kümmert sich um Videoübertragung. Dann gibt es noch den EnerFund, ebenfalls ein Investment Fond für neue Technologien.»
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«Zoi kauft nur Netzwerke auf, die einerseits die größte Reichweite in einem Land haben, andererseits profitabel sind. (…) Alle Übernahmen zusammen gerechnet, vor allem die von Haymarket, dürften, sehr konservativ geschätzt, deutlich mehr als 70 Millionen Euro gekostet haben.»
«Ever wondered how the prime minister sleeps at night? Now we have the answer: blissful ignorance. — It’s like the crucial moment in Graham Greene’s novel The Quiet American. The US agent stares at the blood on his shoes, unable to make the connection between the explosion he commissioned and the bodies scattered across the public square in Saigon. In leaked correspondence with the Conservative leader of Oxfordshire county council (which covers his own constituency), David Cameron expresses his horror at the cuts being made to local services. This is the point at which you realise that he has no conception of what he has done.»
(…)
«The national media has been remarkably slow to pick the story up, given the insight it offers into the prime minister’s detachment from the consequences of his actions. […] Explaining the issue gently, as if to a slow learner, the council leader, Ian Hudspeth, points out […] Again and again, he exposes the figures the prime minister uses as wildly wrong.»
«‹2008 verabschiedete die damalige griechische Regierung unter Präsident Karolos Papoulias ein Gesetz, mit dem der Staat auf einmal 28 Milliarden Euros ausgab. Aber nichts davon ging an die Bürger, Pensionäre, Beamte, Arbeiter. Es war ein gigantisches Rettungsprogramm für Banken. So explodierte die Staatsverschuldung. All die Rettungsprogramme, die seither für Griechenland laufen, sind Bankenrettungsprogramme.› […] ‹Diese Gelder sind nichts als Hilfen für die BNP, Société Général, Deutsche Bank.› […] ‹Weil Schäuble und Merkel nicht schon wieder Banken retten konnten, sagten sie dem deutschen Volk: Die Griechen, Spanier und Portugiesen haben über ihre Verhältnisse gelebt!›»
«‹Wir haben versucht, ein Ernährungsprogramm für die Armen aufzulegen – das wurde uns von der Troika verboten. Wir haben versucht, an die Reichen, an die Oligarchen und die Haie ranzugehen – das wurde uns verboten. Ich habe bei meinen Gesprächspartnern in Berlin, Brüssel, Paris in diesen Punkten um Hilfe gebeten. Aber die gab es nicht. Stattdessen gab es von der Eurogruppe eine ruppige Erklärung, wir sollten auf eigene Faust nicht irgendwelche Dinge machen. […] Als wir trotzdem an die Oligarchen ran wollten, hat die Troika sie schlichtweg geschützt.› […] ‹Schäuble sagt es ja ganz offen: Er will ein strafferes, ein autoritäres Europa. Weniger Sozialstaat. Dank dieser Krise können sie all die Dinge umsetzen – Lohnkürzungen, Rentenkürzungen, Privatisierungen – all die quälenden Dinge, für die ein Volk bei Wahlen nie stimmen würde.›»