«Die Journalistin und Historikerin Catherine Nixey erzählt in ihrem Buch ‹Heiliger Zorn› von diesen barbarischen Taten. In einem ‹Rausch der Zerstörung› vernichteten die frühen Christen eine unfassbar grosse Zahl von antiken Kunstwerken. Aus einer Welt der Römer, die gelassen alle Götter akzeptierte und fremde Kulte ohne weiteres integrierte, trat man in eine fundamentalistische Welt von religiösem Ausschliesslichkeitsanspruch ein.»
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«312 nach Christus konvertiert Kaiser Konstantin der Grosse zum Christentum, nachdem ihm Christen bei der Schlacht an der Milvinischen Brücke in Rom geholfen haben, seine Feinde zu besiegen.
Ab 330 werden ‹heidnische› Tempel entweiht.
385 nehmen die Christen den Tempel der Athene in Palmyra ein und enthaupten die Göttin.
392 zerstört Bischof Theophilus den Tempel von Serapis in Alexandrien.
415 wird die griechische Mathematikerin Hypatia von Christen ermordet.
529 schliesst Kaiser Justinian Christen vom Lehrberuf aus.
Im selben Jahr schliesst die Akademie in Athen ihre Tore, womit eine 900 Jahre alte philosophische Tradition zu ihrem Ende kommt.»
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«‹Was [die Mönche] veranstalteten, das war wirklich blanker Terror. Das unterschied sich nicht vom Vandalismus, den wir vor ein paar Jahren hier in London erlebt haben. Die liefen einfach durch die Strassen und machten Sachen kaputt. Einfach weil sie Lust darauf hatten. […]› ‹Es geht immer zusammen mit Alkohol. Auch die Mönche damals waren betrunken.› ‹Und sie haben dies als Entschuldigung benutzt.›»
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«‹Sie sagen aber auch, dass die Verfolgung der Christen […] nie in diesem Ausmass stattgefunden hat. Das sei ein Produkt der Marketing-Techniken der katholischen Kirche. Es waren höchstens 1500 in den zehn Jahren der Verfolgung, die getötet wurden.› ‹Es waren sogar nur ein paar hundert […] Die Quellen nennen keine exakten Zahlen. Was man aber weiss: Man stellte die Christen meist bloss unter Anklage, man verfolgte sie nur selten.›»
«Eine weitere Interpretation, die vom Unseriösen ins vermeintlich Seriöse pirouettierte: Die Grünen seien so monothematisch wie die AfD, dementsprechend seien sie genau so dogmatisch wie sie. Dass das albern ist, weil es das Schüren von Ressentiments gegen Migranten auf eine Stufe stellt mit, nun ja, dem Wunsch, die Erde bewohnbar zu halten, brauche ich Ihnen hoffentlich nicht zu sagen. Diese konstruierte Symmetrie zwischen der AfD – einer tatsächlich restriktiven und reaktionären Partei am extremen Rand – und den als populistische Verbots-Partei geframten Grünen am anderen behaupteten extremen Rand, ist einer der hottesten Takes diskursiver Verzweiflung.»
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«[Die] ‹Neue Zürcher Zeitung› NZZ [setzte die erzwungene(!)] ‹Begeisterungsfähigkeit› von Kindern und Jugendlichen […], die politisch in der HJ und FDJ missbraucht wurde, mit dem freiwilligen Engagement und dem selbstorganisierten Aktivismus heutiger Klimademonstranten [gleich]. […] Diese thematische Montage schaffte sowohl eine Herabwürdigung der protestierenden Kinder und Jugendlichen, indem sie ihnen ihre Fähigkeit zum selbständigen Denken absprach, als auch eine geschichtsvergessene Relativierung der totalitären Barbarei der NS-Zeit. Zwei Infamien mit einer Klappe – das muss man auch erstmal hinkriegen.»
«Unfreiwillig hat Verena Bahlsen mit ihren irritierenden Äußerungen den Blick auf die Privilegien für Firmenerben gelenkt – und auf ungerechte Steuergesetze. — Wie ist der Reichtum in Deutschland verteilt? Und wie sollten Unternehmen mit der dunklen Vergangenheit des Landes umgehen? Die Erbin Verena Bahlsen hat eine Debatte zu diesen Fragen ausgelöst, die eine in den vergangenen Jahrzehnten ungleicher gewordene Gesellschaft noch beschäftigen könnte. Am Ende könnte die Bundesregierung erkennen, dass sie für eine fairere Verteilung des Wohlstands sorgen sollte.»
«Demonstrierende oder Protestierende werden dann als Bots bezeichnet, weil eintreffende Mails den gleichen Text haben. Ich war als Jugendlicherauch schon mal ein solcher Bot, damals gab es (ich weiß nicht mehr, von welcher Organisation) vorgedruckte Protestkarten im Kampf gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf – ich selbst habe eine solche verschickt. Dieses Instrument ist also nicht neu. — Und es geht ja weiter: Bürger, die eine andere Meinung zum Thema haben, werden nicht als Bürger angesehen, die eine andere Meinung haben – sondern als manipuliert. Ja, sogar als gekauft. CDU-Europaparlamentarier Daniel Caspary behauptet, die Teilnehmer der Demonstrationen gegen das neue Urheberrecht hätten 450€ von Google bekommen.»
«I don't mind letting your programs see my private data as long as I get something useful in exchange. But that's not what happens. […] The state of personalized recommendations is surprisingly terrible. At this point, the top recommendation is always a clickbait rage-creating article about movie stars or whatever Trump did or didn't do in the last 6 hours. Or if not an article, then a video or documentary. That's not what I want to read or to watch, but I sometimes get sucked in anyway, and then it's recommendation apocalypse time, because the algorithm now thinks I like reading about Trump, and now everything is Trump. Never give positive feedback to an AI. — This is, by the way, the dirty secret of the machine learning movement: almost everything produced by ML could have been produced, more cheaply, using a very dumb heuristic you coded up by hand, because mostly the ML is trained by feeding it examples of what humans did while following a very dumb heuristic. There's no magic here.»
«Niemand dürfe auf Kosten der Allgemeinheit leben. Dies ist seit Jahren das sozial- und rentenpolitische Credo der FDP. Für das eigene Handeln gelten diese Grundsätze jedoch offenbar nicht, wie der bizarre Streit um die Schulden der FDP-Fraktion bei einem Rentenversicherer zeigt. Würde man eine Fraktion rechtlich wie ein normales Unternehmen behandeln, hätten sich die FDP-Granden nach Ansicht der Fachzeitschrift Legal Tribune wohl des Bankrotts strafbar gemacht. Da es hier jedoch offenbar eine Gesetzeslücke gibt, muss nun die Allgemeinheit für rund sechs Millionen Euro nie gezahlter Rentenbeiträge der FDP geradestehen.»
«Müssen wir wegen der Digitalisierung schon bald mit Millionen Erwerbslosen rechnen? Oder sorgen Fachkräftemangel und demographischer Wandel dafür, dass Erwerbslosigkeit schon bald ein Fremdwort ist und unsere Volkswirtschaft händeringend Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben muss? Diesen Fragen ist die Bertelsmann Stiftung nachgegangen und kam zum ‹Ergebnis›, dass Deutschland bis 2060 pro Jahr eine Nettozuwanderung von 260.000 Arbeitskräften bräuchte, um ‹den Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft angesichts der alternden Gesellschaft› zu decken – ein sorgfältig konstruiertes Wunschergebnis der arbeitgebernahen Stiftung, bei dem die Autoren zahlreiche kreative Kunstgriffe benutzten, um der Politik Empfehlungen zu geben, die ganz und gar nicht im Interesse der Mehrheit sind.»
«Eliten seien in Deutschland immer weniger durchlässig, schreibt der Wissenschaftler in seinem neuen Buch. Die Folge, so Hartmann: Politikverdrossenheit und Rechtspopulismus. — […] ‹Die Eliten haben sich – in einem bestimmten historischen Zeitraum – immer mehr von der Bevölkerung entfernt, sowohl was ihre soziale Herkunft angeht, als auch ihr Denken und Handeln.› […] ‹Die Politik war lange der Gegenpol zur Wirtschaft, sie war die sozial offenste Elite. Knapp zwei Drittel der Spitzenpolitiker stammten aus der breiten Bevölkerung, ein beträchtlicher Teil davon aus der Arbeiterschaft. Ein gutes Drittel kam aus dem bürgerlichen und großbürgerlichen Milieu. Zwischen 1999 und 2009 hat sich das praktisch auf den Kopf gestellt. Auf einmal gab es zwei Drittel Bürgerkinder.›»
«Alles begann vor ein paar Jahren mit einer Anfrage. Ob David Graeber nicht eine radikale These hätte, fragte der Chef eines radikalen Magazins, die sonst keiner drucke? Graeber, Anarchist und Bestseller-Autor, hatte natürlich eine These: Millionen Jobs in der modernen Wirtschaft seien erschütternd nutzlos für die Gesellschaft – und frustrierend für den Einzelnen. Der Essay sorgte für Aufsehen, wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Und er widerlegte sofort die Vermutung, so etwas drucke sonst keiner. Diese Woche erscheint Graebers auf 350 Seiten ausgedehnte Recherche, für die der Autor einen üppigen Vorschuss kassierte, als Buch zunächst auf Englisch: ‹Bullshit-Jobs›.»