«Tatsächlich häufen sich inzwischen blitzartige Kurseinbrüche, die teils ohne Grund stattfinden. Besonders spektakulär war der ‹Flash Crash› am 6. Mai 2010, den computergesteuerte Handelsprogramme auslösten. Binnen weniger Minuten stürzte der Dow um rund 1.000 Punkte ab. Auch beim Corona-Crash im März könnten die Hochfrequenzhändler die Hände mit im Spiel gehabt haben. Sie sollen den Herdentrieb verstärkt haben.»
(…)
«Seit 2011 ringen die EU-Länder um eine europaweite Finanztransaktionssteuer, die auch die Spekulanten belasten sollte.»
(…)
«Ausgerechnet eine Gruppe planten Deutschland und Frankreich von der Steuer zu verschonen: die Hochfrequenzhändler. […] Bei dem vorgeschlagenen deutsch-französischen Modell, würden 99 Prozent aller Finanztransaktionen von der Steuer ausgenommen. (…) In einem […] Gutachten kritisiert das Kieler Institut für Weltwirtschaft, dass gerade Investoren, die sich aktiv und transparent am Markt beteiligen, besteuert würden. Geschont würden weniger transparente Akteure, die mit hochriskanten Finanzinstrumenten oder im Hochfrequenzbereich handelten.»
«Wer in Deutschland als Whistleblower an die Öffentlichkeit geht, ist Repressalien durch den Arbeitgeber fast schutzlos ausgeliefert. Obwohl Hinweisgeber*innen wie Edward Snowden, Antoine Deltour oder Chelsea Manning in der deutschen Öffentlichkeit ein hohes Ansehen genießen, verfügt Deutschland bisher über kein Whistleblower-Schutzgesetz. (…) Es besteht kein Zweifel – vom Whistleblowing profitiert die gesamte Gesellschaft. Nicht nur sorgen interne Hinweisgeber*innen in Unternehmen oder Verwaltungen immer wieder dafür, dass echte gesundheitliche Gefahren von der Allgemeinheit abgewendet werden, die Aufdeckung von Steuer- und Korruptionsskandalen hat auch Milliarden an Steuergeldern in öffentliche Kassen gespült.»
(…)
«Der Wille der EU ist klar: Whistleblower sollen geschützt werden, völlig unabhängig davon, in welchem Bereich sie Missstände aufdecken. Zwar kann die Richtlinie den Whistleblower-Schutz nur mit Bezug auf Verstöße gegen das EU-Recht verpflichtend machen, es heißt aber im Gesetzestext ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten diesen Whistleblower-Schutz auf andere Rechtsbereiche ausdehnen können. Eine solch explizite Aufforderung an Mitgliedstaaten, eine weitergehende Regelung in Betracht zu ziehen, ist ein durchaus ungewöhnliches, starkes Zeichen.»
(…)
«In einem ersten Eckpunktepapier, das kürzlich an die anderen Ministerien verschickt wurde, schlägt das Justizministerium die Umsetzung der Richtlinie in Form eines allgemeinen Whistleblower-Schutzgesetzes vor, das für alle Rechtsbereiche gilt, egal ob europäisches oder nationales Recht. (…) Alles andere würde laut Justizministerium zu absurden Ergebnissen führen, etwa dass das Whistleblowing zur Meldung von Verbraucherschutzverstößen geschützt wäre, nicht aber zur Aufdeckung schwerer Straftaten. Für die Betroffenen sei es nicht nachvollziehbar, wenn sie nur dann vor Repressalien geschützt werden, wenn der Rechtsverstoß, den sie melden, auf das Europarecht zurückzuführen ist.»
(…)
«Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist offenbar fest entschlossen, den Whistleblower-Schutz durch kleinliche Verweise auf die Unterschiede zwischen europäischer und deutscher Gesetzgebungskompetenz zu sabotieren. (…) Jegliche Empfehlungen des Justizministeriums, die auf ein allgemeines Whistleblower-Schutzgesetz hinweisen, wurden durch das Wirtschaftsministerium in der Ressortabstimmung gestrichen.»
(…)
«Mit dieser an Arbeitsverweigerung grenzenden Einstellung sieht das Wirtschaftsministerium die Verantwortung des deutschen Gesetzgebers also darin, das absolute Mindestmaß dessen umzusetzen, wozu es durch die EU-Gesetzgebung ohnehin gezwungen ist. Wenn ein Rechtsbereich in nationale Kompetenz fällt, dann sollen Whistleblower, die etwa über Missstände im Gesundheitswesen aufklären, keinerlei Schutz erhalten. Offensichtlich sieht die CDU im Whistleblower-Schutz keinen Dienst an der Gesellschaft, sondern ausschließlich eins: eine Gefahr für die Interessen von Unternehmen.»
«Die Strategie, den Whistleblower-Schutz in der Praxis unanwendbar zu machen, beruht vor allem auf Verwirrung und Abschreckung: Wer ist schon ohne umfassende juristische Ausbildung in der Lage zu beurteilen, ob eine bestimmte Rechtsverletzung auf die Umsetzung einer EU-Richtlinie zurückzuführen ist oder nicht? Das ist eine Unterscheidung, die selbst für geschulte Jurist*innen nicht immer ganz einfach ist, und sich obendrein regelmäßig ändert.»
«[In der Studie], die der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité gemeinsam mit Kollegen verfasst hat, [wurde] die Viruslast in den Atemwegen von Infizierten verglichen. (…) Kinder tragen also nicht weniger Viren in ihren Körpern als Erwachsene. Daraus zieht das Team den Schluss: ‹Wir müssen in der gegenwärtigen Situation vor einer unbegrenzten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten warnen. Kinder könnten ebenso infektiös sein wie Erwachsene.›»
«Allerdings waren Kinder in der Stichprobe deutlich unterrepräsentiert, nur 47 von 3700 Infizierten waren jünger als zwölf Jahre. Die geringe Zahl lässt sich damit erklären, dass die Wissenschaftler Daten aus Routine-Testungen eines Berliner Labors verwendet hatten. Infizierte Kinder aber haben oft milde oder gar keine Symptome und werden damit seltener getestet. Wie repräsentativ die untersuchten Kinder sind, ist fraglich. Womöglich sind vor allem jene in die Testzentren gekommen, die ernstere Verläufe und damit möglicherweise eine höhere Virenlast hatten.»
«Die Wissenschaftler räumen ein, dass die Viruslast allein noch keine Aussage darüber zulässt, in welchem Maß Kinder Sars-CoV-2 auch verbreiten. […] könnte […] könnten […] derzeit schwer zu bestimmen […] nicht zwangsläufig […] womöglich […]»
Alexander Stannigel — schaut sich Zahlen an.Donnerstag, 30. April 2020
#115
Planübererfüllung!
Nach sechs Wochen Lockdown, sieben Wochen geschlossenen Schulen und Kitas ist das Gesundheitssystem nicht nur nicht überlastet und Ärzte sind nicht vor die Entscheidung gestellt, wen sie behandeln und wen sie dem Schicksal überlassen. Die Neuinfektionszahlen sind trotz ein paar Lockerungen weiter rückläufig und die Reproduktionszahl pendelt seit dem souverän unter eins. Vom Verdoppelungszeitraum ist seit Wochen gar nicht mehr die Rede …
«Da die Verdoppelungszeit durch das Abflachen der Infektionskurve an Bedeutung verloren hat, ist die Reproduktionszahl in den Fokus gerückt […] Denn obwohl die Zahl der Neuinfektionen sinkt, schätzt das Robert Koch-Institut R wieder höher ein. Die Reproduktionszahl lag nach dessen Schätzungen zwischenzeitlich bei 1,0 – und nicht mehr 0,9. […] RKI-Präsident Lothar Wieler erklärte auf Nachfrage von Journalisten allerdings, der genaue Wert liege derzeit bei 0,96 – und sei nach mathematischen Regeln aufgerundet worden. Das heißt: Schon geringe Veränderungen eines Schätzwerts können in einer Krise enormes öffentliches Aufsehen auslösen.»
(…)
«Der RKI-Präsident plädiert außerdem, man dürfe nicht nur auf eine einzelne Zahl schauen. So sei die Reproduktionszahl eins allein nicht aussagekräftig und müsste beispielsweise ganz anders bewertet werden, wenn es täglich 50.000 Neuinfektionen in Deutschland gebe.»
(…)
«Die Schätzwerte können aber anders ausfallen, wenn andere Annahmen oder Zeiträume benutzt werden. So kommt die Technische Universität Ilmenau auf niedrigere Werte als das RKI, allerdings sind die Daten nicht aktuell und sollten, so schreibt es die Uni selbst, ‹vorsichtig interpretiert werden›. Die Berechnung beruht auf den täglichen Meldezahlen, die das RKI bereitstelle. Für den 20. April schätzen die Forscher der TU eine Reproduktionszahl von lediglich 0,29; dieser Wert sei aber noch nicht endgültig.»
«In der 16. Kalenderwoche ab dem 13. April übermittelten 161 Labore eine Gesamtzahl von 323 449 Tests an das RKI, 6,7 Prozent davon (21 538) hatten dabei das Virus aufgespürt. Zwei Wochen zuvor waren es noch gut 408 000 Tests. […] Für die darauffolgende 17. Kalenderwoche gaben 126 Labore an, insgesamt deutlich über 800 000 Tests auf Sars-CoV-2 abwickeln zu können. […] Es übermitteln allerdings noch nicht alle Labore, die Coronatests anbieten, an das RKI.»
Alexander Stannigel — hat einige Artikel geteilt:Montag, 27. April 2020
#113
Wird langsam echt Zeit die sozialen Folgen des Lockdowns anzugehen. Im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Folgen hilft da nicht einfach mit Geld drauf zu werfen.
Jede/r fünfte Schüler/in wird durch die Schulschließungen und fehlende Homeschooling-Möglichkeiten gerade zurückgelassen
Hilfsorganisationen sind in ihrer Arbeit aktuell ziemlich eingeschränkt
Elternteile haben durch die Kinderbetreuung ein Drittel weniger Einkommen …
… oder sind seit Wochen durch die Doppelaufgabe Homeoffice und Kinderbetreuung/Homeschooling weit über der Belastungsgrenze
«Nach der Schulschließung musste auf einen Schlag der komplette Unterricht digital funktionieren. Das stellte nicht nur Lehrer vor eine Herausforderung, sondern auch viele Familien. (…) Für den Lernerfolg der Schüler ist der Zugang zu einem eigenen Computer in der aktuellen Krise enorm wichtig geworden. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine neue Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. (…) Deutlich weniger als die Hälfte der befragten 12- bis 14-Jährigen hat alleinigen Zugriff auf einen PC oder Laptop. Diese Kinder sind jetzt besonders benachteiligt.»
(…)
«[In einer] Online-Umfrage der Elternkammer Hamburg, an der über 20.000 Eltern teilnahmen, [gaben] 18 Prozent an, dass die von der Schule geforderte Technik der Familie Probleme bereite. Und das, obwohl an der Umfrage überdurchschnittliche viele bessergestellte und technikaffine Familien teilnahmen. (…) Leihcomputer zum Beispiel gab es für Schülerinnen und Schüler […] jahrelang nicht, erst jetzt sind erste Computer verteilt worden.»
(…)
«Laut einer repräsentativen Umfrage der Robert Bosch Stiftung sagen 37 Prozent der Lehrer, dass sie mit ‹weniger als der Hälfte› oder sogar nur mit ‹sehr wenigen Schülerinnen und Schülern› regelmäßigen Kontakt haben. Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass der digitale Unterricht vor allem für Schüler aus bildungsfernen Familien schwierig ist. Die Schulschließungen wirken sich demnach für die betroffenen Kinder ‹besonders negativ aus und können ihre Entwicklung in substanziellem Maße hemmen›, schreiben die Studienautoren.»
«Den Kindern, die keinen funktionierenden Computer haben und kein Handy, auf dem man PDF-Dateien lesen kann, fehlt es meistens an ganz essenziellen Dingen: Kleidung zum Beispiel, oder Essen, oder sogar das Betrachten von Orten, an denen es keine Plattenbauten gibt. Jahrelang hat Sozialpolitik das Leben dieser Kinder nicht verbessert. Stattdessen wurde ihnen der Aufstieg durch Bildung versprochen. Wenn sie sich nur genug anstrengen würden, gute Noten schreiben, Bücher lesen, dann könnten sie eventuell ‹der Armut entkommen›. Die Schule sollte alle gleich machen, weshalb man versäumte, die Leben der Kinder auch außerhalb der Schule zu verbessern. Man gab ihnen kostenlose Nachhilfe, kostenlose Mitgliedschaften in Vereinen, kostenlose Mittagessen in Schulen – und vergaß dabei völlig, dass es Kindern niemals gut gehen wird, wenn ihre Eltern arm sind. Dass die Ausgrenzung und die psychische Belastung, die aus Armut entsteht, jedes Kinderhirn sowieso verkümmern lassen.»
«‹Über Nacht ist das Hilfesystem in Deutschland zusammengebrochen, alle haben zugemacht und keiner weiß mehr, an wen er sich wenden kann›, sagt Bernd Siggelkow, der [das christlichen Kinder- und Jugendhilfswerk Arche] vor 25 Jahren gegründet hat. Vor dem Beginn der Coronakrise unterstützte und versorgte die Arche deutschlandweit bis zu 4500 Kinder täglich. Doch seit Mitte März sind alle 27 Standorte auf unbestimmte Zeit geschlossen.»
(…)
«Die Ausgangsbeschränkungen treffen finanzschwache Familien besonders schwer. Die kostenfreien Mahlzeiten in Schulen, Kindergärten und Jugendzentren fallen weg. Nun müssen viele Eltern ihre Kinder ganztags versorgen und gleichzeitig ihr Sozialleben auf engstem Raum organisieren. (…) Die Kinderrechtsorganisation appelliert an den Staat, die sozialen Hilfen und Beratungssysteme aufrechtzuerhalten. ‹Es darf nicht sein, dass mit der Verringerung der Zahl der Ansteckungen die Zahl der Kinderschutzfälle steigt›, sagt Melike Yar von Save the Children (…)»
(…)
«‹Du kommst in Geschäfte und da kosten die Nudeln plötzlich 85 Cent statt 45 Cent. Das läppert sich.›»
(…)
«Die Bildungschancen vieler Arche-Kinder werden in den nächsten Wochen weiter sinken. Sie haben ungleich schlechtere Lernbedingungen als viele Altersgenossen. In beengten Wohnverhältnissen ohne eigenen Schreibtisch ist an konzentriertes Lernen kaum zu denken. Viele Eltern möchten helfen, können aber nicht, weil ihnen die Grundlagen oder Sprachkenntnisse fehlen. ‹Studien aus den USA zeigen, dass lange Schulschließungen, die es dort aufgrund der bis zu dreimonatigen Sommerferien gibt, die sozialen Ungleichheiten vergrößern›, sagt Sozialwissenschaftler Marcel Helbig, der als Professor für Bildung und Soziale Ungleichheit an der Universität Erfurt arbeitet, ‹je länger die Schließungen dauern, desto größer können die Ungleichheiten werden.›»
«Sie zerreiben sich zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung und fallen abends todmüde ins Bett. […] Wenn ‹da draußen› die Geschäfte wieder öffnen und das Leben so langsam neu in Schwung kommt, sitzen Eltern mit ihren Kleinkindern weiterhin zu Hause und versuchen, der Arbeit und dem Nachwuchs so gut es geht gerecht zu werden.»
«Und das ohne Perspektive: Kitas müssten noch ‹sehr lange› geschlossen bleiben, sagte der [hessische] Ministerpräsident am Mittwochabend und verwies auf die hohe Ansteckungsgefahr unter Kleinkindern. Die Wahrheit ist aber auch: Es geht einfach nicht monatelang so weiter. Die Arbeit wird immer lauter rufen, die Kollegen werden weniger nachsichtig sein, die Chefs auch, der Jahresurlaub ist aufgebraucht, die Stimmung sinkt.»
«Die Höhe der Entschädigung beträgt 67 Prozent des Netto-Verdienstausfalls; für einen vollen Monat wird jedoch höchstens ein Betrag von 2.016 Euro gewährt, selbst wenn dieser Betrag unterhalb der 67 Prozent-Grenze liegt. Gezahlt wird die Entschädigung für längstens 6 Wochen.»
(…)
«Arbeit von Zuhause soll nach der Gesetzesbegründung als ‹zumutbare Betreuungsmöglichkeit› gelten. Beschäftigte, denen Arbeit von Zuhause zumutbar ist, werden von dem Recht auf Entschädigung ausgeschlossen. Bei Kindern im Kita- und Grundschulalter kann wohl kaum davon die Rede sein, dass Arbeit von Zuhause und Kinderbetreuung gleichzeitig möglich sind. (…) Gerade die Doppelbelastung durch Homeoffice und Kinderbetreuung ist für Eltern von kleineren Kindern eine wahre Zumutung – erst recht wenn sie über Wochen andauert.»
«Die Soziologin Nina Weimann-Sandig von der Evangelischen Hochschule Dresden warnt davor, dass es für Eltern zunehmend schwerer werde, berufliche, schulische und private Verpflichtungen aller Familienmitglieder unter einen Hut zu bringen. Sie ist sich sicher, dass die Coronazeit langfristige negative Auswirkungen auf das Familienleben im Freistaat haben wird. ‹Meine Hypothese ist, dass sich viele Familien mittlerweile am Rande eines Burn-out befinden. Das verursacht auf Dauer schwerwiegende gesundheitliche Probleme›, sagt sie.»
«Einer der Gründe für die anhaltende Überforderung: Während durch die Lockerungen der Coronabeschränkungen die Betriebe schrittweise wieder öffnen, bleiben Schulen und Kitas vorerst weitgehend zu. Folglich steigt die Belastung für den Elternteil, der weiterhin von zu Hause aus arbeitet.»
(…)
«Gleichzeitig gab ein Drittel der Eltern schulpflichtiger Kinder an, das geforderte Unterrichtspensum kaum noch mit den Kindern bewältigen zu können. Zu Beginn der Befragung lag dieser Wert bei rund 25 Prozent. Kinder aus sächsischen Familien, in denen die Eltern ein eher niedriges Bildungsniveau haben, leiden besonders stark. So sind rund zwei Drittel der Eltern ohne Schulabschluss und die Hälfte mit Hauptschulabschluss mit dem Homeschooling voll oder eher überfordert. Unter den Teilnehmern mit Hochschulabschluss ist es nur etwa ein Drittel.»
«Einem Entwurf zufolge, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, soll die Zahl der Corona-Tests auf bis zu viereinhalb Millionen pro Woche gesteigert werden. Offenbar sollen künftig auch Menschen getestet werden können, die keine Symptome einer Covid-19-Erkrankung zeigen. Solche flächendeckenden Untersuchungen sollen ‹die stufenweise Rückkehr zum normalen Wirtschaftsleben› ermöglichen, heißt es in dem Papier.»
(…)
«Auch Tierärztinnen und Tierärzte sollen im Falle einer ‹epidemischen Lage von nationaler Tragweite›, so wie jetzt, mit ihren Laboren helfen dürfen, Tests auszuwerten.»
Alexander Stannigel — hat drei Artikel geteilt:Montag, 20. April 2020
#111
Die europäische #Covid19-Tracing App wird gerade mit Schwung und Vorsatz gegen die Wand gefahren, weil einige jede Gelegenheit zum Ausbau des Überwachungsstaats nutzen wollen. Erst werden ohne Notwendigkeit alle Privatsphäreaspekte gestrichen sowie aus einer offenen eine geschlossene Anwendung gemacht und damit die ganzen Fachleute vertrieben. Und hinterher werden die dafür Verantwortlichen das Scheitern auf den Datenschutz schieben.
Bleibt nur zu hoffen, dass die DP3T-Entwickler trotz der Sabotage staatlicherseits eine vernünftige alternative App hinbekommen.
«DP3T (Decentralized Privacy-Preserving Proximity Tracing) startete ursprünglich an der EPFL und der ETH Zürich und ist ein offenes Protokoll für Open-Source-Apps und Server, die auf Bluetooth-Basis ‹COVID-19 Proximity Tracing› zur Verfügung stellen wollen. DP3T ist (…) laut seinem Projektteam ursprünglich eines der Protokolle ‹unter dem weiten Schirm› von PEPP-PT ‹und nicht das einzige›, so die Verfasser eines DP3T-Projektdokuments.»
(…)
«Verschiedene weitere Vorhaltungen via Twitter, etwa vom DP3T-Entwickler Kenneth Paterson, Professor und Leiter der ‹Applied Cryptography Group› an der ETH Zürich, lauten: ‹Ihr System [d.i. PEPP-PT] ist geschlossen und kann von externen Experten nicht begutachtet werden. Wir können uns keine Spezifikation anschauen, keinen Code. Das System könnte also auch voller Bugs sein. Es könnte eine Hintertür für Geheimdienste haben. Niemand ausserhalb ihres geschlossenen Projekts kann das beurteilen.›»
(…)
«Gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung äußerte sich [der Experte für ‹Digitale Epidemiologie› Marcel Salathé, Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL/EPFL)], dass seit der gemeinsamen Ankündigung von Google und Apple und ihrer Unterstützung für einen dezentralen Ansatz ‹ich das Gefühl habe, dass für den zentralen Ansatz viel Lobbying betrieben wird. So nach dem Motto: Wir lassen uns von Google und Apple nicht vorschreiben, welchen Ansatz wir zu nutzen haben.›»
«Am Samstag twitterte der Informatik-Professor Cas Cremers dann, dass sich CISPA [Helmholtz-Institut für Informationssicherheit] ebenfalls zurückgezogen habe. Man werde aber weiter an DP3T und damit an einem Rahmenwerk mit ‹Privacy by Design› arbeiten. Ciro Cattuto vom ISI [Turiner Forschungsstiftung] erklärte am Sonntag auf Twitter, PEPP-PT habe zwar die öffentliche Debatte über Contact-Tracing maßgeblich geprägt. Unklarheiten rund um die Steuerung und die Kommunikation hätten aber Bedenken hervorgebracht. In der laufenden Gesundheitskrise seien ‹höchste Standards für Offenheit und Transparenz› entscheidend.»
(…)
«Der Krypto-Experte Kobeissi spricht von einem ‹in sich widersprüchlichen Design›. Dabei hänge so viel von dem Vertrauen ab, das die Nutzer in die Institution im Zentrum legen müssten, dass von einer ‹starken oder zumindest ernsthaften und realistischen Herangehensweise an die Privatsphäre› der Teilnehmer wohl kaum eine Rede mehr sein könne.»
Alexander Stannigel — hat zwei Artikel geteilt:Montag, 20. April 2020
#110
Gut, wenn in Deutschland anderthalb mal soviele #Covid19-Tests durchgeführt werden, als in Südkorea. Allerdings hat Südkorea auch frühzeitig reagiert und bis jetzt weder einen Lockdown wie in Deutschland oder gar einen Shutdown wie Italien und Spanien gebraucht.
«Um Menschen mit einer Corona-Infektion schneller identifizieren zu können, setzt Sachsen jetzt auf einen deutlichen Ausbau der Testkapazitäten. ‹Die Erhöhung auf 15.000 Tests pro Tag wird aktuell vorbereitet›, teilte das Sozialministerium auf Anfrage der ‹Freien Presse› mit.»
(…)
«Die 15 Labore im Freistaat verfügten mit ihren Außenstellen über eine Gesamtkapazität von 5600 Tests pro Tag.»
(…)
«Schon jetzt gehört Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Testquoten. Laut einer Studie der Oxford-Universität liegt die Zahl der Tests auf 1000 Einwohner hierzulande bei 15,97, in Südkorea dagegen bei 9,77. (…)»
«Auf Südkorea schaut derzeit die halbe Welt, weil das Land es nach einem heftigen Ausbruch im Februar mit zeitweise über 900 täglich neu erkannten Corona-Fällen geschafft hat, die Zahl der Neuerkrankungen zu senken – auf jüngst um die 60 täglich. Das gelang sogar, ohne die Gesellschaft und die Wirtschaft weitgehend einzufrieren, wie es derzeit in Europa passiert. Die Eckpfeiler der Südkorea-Strategie: Massentests, konsequente Rückverfolgung von Kontaktpersonen, strikte Isolierung von Infizierten, Bewegungsüberwachung mittels Handy-Profilen und nicht zuletzt ein Sensibilisieren der ganzen Bevölkerung.»
(…)
«Das Papier führe aus, es sei ‹überfällig› Testkapazitäten in Deutschland so weit wie möglich zu erhöhen, berichten ‹Süddeutsche›, NDR und WDR. Das Testen und das konsequente Isolieren infizierter Personen sei der wichtigste Pfeiler im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. Die Tests müssten auch alle Kontaktpersonen einer positiv getesteten Person einbeziehen sowie Personen, die von sich aus den Verdacht haben, angesteckt zu sein.»
«Dem Rückverfolgen von Kontaktpersonen positiv Getesteter sei perspektivisch computergestützt auf die Sprünge zu helfen. Auch sogenanntes Location-Tracking von Mobiltelefonen könne zum Einsatz kommen. Exakt so setzt Südkorea, wo derzeit sämtliche Handys überwacht werden, die Suche um. Per App werden dort sogar automatisch alle Personen benachrichtigt, wenn sich eine nachweislich infizierte Person in ihrer Nähe befindet.»
«[…] Außer bei Gymnasien, Universitäten und Berufsschulen gab es [in Schweden] keine Schließungen. Lediglich für Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern gilt seit Ende März ein Verbot sowie seit Anfang April für den Besuch von Pflege- und Altersheimen. (…) In Stockholm herrscht weiterhin reges Treiben an den Tischen der Restaurants und Cafés. Sogar seine unmittelbaren Nachbarländer Dänemark, Finnland und Norwegen halten es anders.»
(…)
«Der Bonner Virologe Hendrik Streeck […] betont, dass alle großen Ausbrüche mit bestimmten Ereignissen zusammenhingen, wie etwa einem Fußballspiel in Norditalien, Après-Ski im österreichischen Ischgl, einer Karnevalssitzung im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen oder dem Starkbierfest im schwer betroffenen Kreis Tirschenreuth in Bayern. Vielleicht hatte Schweden einfach nur Glück, weil ihm eines dieser sogenannten Superspreading Events erspart geblieben ist.»
«Nach Meinung anderer Experten sind es womöglich auch besondere demografische Faktoren in Schweden, welche den Verlauf der Epidemie positiv beeinflusst haben könnten. So sind etwa mehr als die Hälfte der Haushalte in Schweden Ein-Personen-Haushalte. Auch ist die Bevölkerungsdichte in dem skandinavischen Land viel niedriger als etwa in den Niederlanden und Großbritannien, die es beide anfangs auch ohne strenge Eindämmungsmaßnahmen probiert hatten. Ein Virus verbreitet sich einfacher in dicht besiedelten Gegenden. Auch das würde dafür sprechen, dass das schwedische Modell nicht ohne Weiteres auf andere Länder übertragbar ist.»