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Alexander Stannigel www.alexander-stannigel.eu Geschichte der Formel 1: Die 90er

Geschichte der Formel 1 Die 90er

Letzte Änderung: Oktober 2002
Diese Artikelserie stammt von DailyF1

In der F1-Saison 1990 setzte sich das Duell Ayrton Senna gegen Alain Prost fort. Jetzt waren die beiden Superstars allerdings nicht mehr als Teamkollegen unterwegs, da der französische 'Professor' zu Ferrari gewechselt war. Die Entscheidung fiel in Suzuka, wo Senna im Jahr zuvor disqualifiziert worden war. Wenige hundert Meter nach dem Start sicherte sich Senna den Titel, als er mit Prosts Ferrari kollidierte. Beide Boliden rutschten ins Aus und damit lag Senna bereits vor dem Finale in Adelaide nach Punkten uneinholbar vorn. Das Pikante: Der Brasilianer hatte den Crash 24 Stunden zuvor in Erinnerung an die bittere Niederlage des Vorjahres angekündigt...

Zwei Jahre nach Verbot der Turbomotoren zeigte sich, dass die Regeländerung keineswegs die beabsichtigte Kostendämpfung bewirkte. Für den Bau der jetzt vorgeschriebenen 3.5-Liter-Saugmotoren wendeten die Hersteller zwischen 15 und 30 Prozent mehr Kapital auf als es zuvor für die Sechszylinder-Turbos erforderlich gewesen war.

Das erste Auto mit hoher Nase: Der 91'er-Tyrrell, hier mit Stefano Modena. Das erste Auto mit hoher Nase: Der 91'er-Tyrrell, hier mit Stefano Modena.

Die Investitionen trugen aber immerhin Früchte: Bei einer Kraftentfaltung von mehr als 700 PS wurde von Saugern erstmals die spezifische Leistung von 200 PS pro 1.000 Kubikzentimeter Hubraum erreicht. Auf dem Sektor Aerodynamik setzte das Team Tyrrell den Maßstab: Die Konstrukteure Dr. Harvey Postlethwaite und Jean-Claude Migeot kreierten die hohe Nase, eine Komponente, die schnell zu einem unverzichtbaren Merkmal der modernen Formel 1 werden sollte.

Auch 1991 war Ayrton Senna in Front, aber in der 42. Saison der Formel 1 debütierte ein Pilot, der das Zeug hatte, in die Klasse der Giganten à la Senna, Prost oder Mansell einzubrechen: Michael Schumacher. Der junge Mann aus Deutschland erhielt seine Chance, als der Jordan-Pilot Bertrand Gachot wegen juristischer Probleme - er hatte einen Taxler in London mit Giftgas attackiert - pausieren musste. Bereits nach dem ersten freien Training für den Grand Prix von Belgien bescheinigte 'Platzhirsch' Ayrton Senna dem Neuling viel Talent - er traute ihm für die Zukunft Siege und sogar WM-Titel zu.

Tatsächlich trat dieser Michael Schumacher bereits bei vorbereitenden Testfahrten wie ein kommender Champion auf: Als er trotz mahnender Worte und der Bitte um ein behutsames Herantasten an den Grenzbereich den Club-Circuit in Silverstone schon nach wenigen Runden schneller umkurvte als Jordan-Stammpilot Andrea de Cesaris jemals zuvor, blies ihm die Teamführung den Marsch wegen Ungehorsams. Doch Schumacher versicherte überzeugend, er habe sich doch nur an die Weisung gehalten und sei lediglich befehlsgemäß herumgerollt. Schon beim kommenden WM-Lauf in Monza saß Schumacher nicht mehr im grünen Jordan-Cockpit. Flavio Briatore, damals (und nach mehrjähriger Pause auch heute wieder) Boss des Rennstalls Benetton (beziehungsweise Renault), hatte sich mit Hilfe gewiefter Rechtsanwälte die Dienste des Supertalents gesichert.

Das Jahr 1992 sah den Williams-Renault FW14B von Designer Adrian Newey als absolut überlegene Konstruktion. Das britische Team rüstete die Boliden mit aktiven Fahrwerken aus. Die Idee stammte aus den 80'er-Jahren und war inzwischen perfektioniert worden: Computergesteuert passte sich das Fahrwerk der jeweiligen Fahrsituation an. Zusätzlich verhalf eine Antischlupfregelung, die beim Beschleunigen ungewolltes Durchdrehen der Antriebsräder automatisch verhinderte, dem Fahrzeug zu Souveränität. Nigel Mansell fuhr von Sieg zu Sieg und lag bereits nach dem Grand Prix von Ungarn im August uneinholbar an der Spitze des Zwischenklassements.

1994 holte Michael Schumacher den ersten WM-Titel für Deutschland. 1994 holte Michael Schumacher den ersten WM-Titel für Deutschland.

An jenem Wochenende traten auch neue Vorschriften in Kraft, die den Kraftstoff der F1-Autos betrafen. Neben Stickstoff und Sauerstoff - beides in begrenzten Mengen - durfte der Kraftstoff nur noch Kohlenwasserstoffe enthalten. Alkohol, Stickstoffverbindungen und andere leistungsfördernde Additive waren verboten. Nur ein Jahr später wurden Benzinparagraphen beschlossen, nach denen der Kraftstoff allen Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften der EU entsprechen musste. Damit hatten die Funktionäre endgültig dem Tankstellenbenzin im GP-Sport den Weg geebnet. Während Mineralölfirmen noch Anfang der 90'er-Jahre pro Saison mit mehr als 300 Mischungen experimentierten, beschränkt man sich heute auf wenige Mixturen. Das Rennbenzin - in Verbindung mit dem erforderlichen Set-Up des Motors für eine gewisse Leistungssteigerung verantwortlich - unterscheidet sich nicht aufgrund chemischer Bestandteile, sondern lediglich durch deren Zusammensetzung von herkömmlichem Sprit. Seit 1995 muss der jeweils verwendete Kraftstoff in seiner Zusammensetzung mit einer Probe (chemischer Fingerabdruck) identisch sein, die zuvor bei der Motorsportbehörde zur Freigabe hinterlegt wurde.

1994 stieg mit Heinz Harald Frentzen - engagiert vom Schweizer Peter Sauber, der den Mönchengladbacher aus der japanischen Versenkung zurückholte - ein zweiter deutscher Rennfahrer in die Formel 1 auf. Und wieder erkannte Ayrton Senna die Klasse des Neulings. Senna riet seinem neuen Arbeitgeber Frank Williams, er solle sich die Dienste des Nachwuchspiloten sichern. Der Brasilianer, zuletzt 1991 Champion, stand 1994 scheinbar vor einer extrem erfolgreichen Saison. Seit 1992 stellte Williams-Renault die Weltmeister und im Vorjahr hatte sich Alain Prost mit seinem vierten Titel aus dem aktiven Rennsport verabschiedet.

Es kam anders: Zum Auftakt des Rennjahres unterlief Senna während seines Heim-GP ein Fahrfehler, er drehte sich und schied aus. Im japanischen Aida wurde er unschuldiges Opfer einer Karambolage. Anschließend gastierte der GP-Tross in Imola. Das Wochenende entwickelte sich zur Tragödie: Freitags stürzte Rubens Barrichello spektakulär, kam aber mit geringfügigen Verletzungen davon. Samstag der Schock: Der Österreicher Roland Ratzenberger verunglückte während des Abschlusstrainings tödlich. Erstmals seit zwölf Jahren musste im Verlauf eines GP-Weekends ein Toter betrauert werden. Am folgenden Tag starb auch Ayrton Senna. Wegen einer gebrochenen Lenksäule kam er im Bereich der Tamburello-Kurve von der Piste ab und raste in eine Mauer. Das Monocoque schützte den Körper des Piloten, aber zurückschlagende Teile der rechten Vorderradaufhängung verursachten tödliche Kopfverletzungen. Der F1-Sport verlor seinen Spitzenfahrer.

Mika Häkkinen und McLaren feierten 1998 eine Wiederauferstehung. Mika Häkkinen und McLaren feierten 1998 eine Wiederauferstehung.

Benetton-Pilot Michael Schumacher konnte sich nach einer kontroversen Saison mit dem unehrenhaften Beinamen 'Schummel-Schumi' den Titel sichern. Der Deutsche schlug auch im folgenden Jahr zu, als die Motoren auf drei Liter Hubraum limitiert wurden. Die Reduzierung des Zylinderinhalts war eine Folge der tödlichen Unfälle von Imola. Weder Ratzenberger noch Senna waren Opfer übertriebener PS-Zahlen geworden, doch die Funktionäre wollten ein Zeichen setzen und die Geschwindigkeiten reduzieren, ebenso wie den Einfluss der Elektronik.

Den zweiten Titelgewinn vor Augen suchte Schumacher nach einer neuen Herausforderung. Im August 1995 hatte er sich entschlossen, nach Saisonende zu Ferrari zu wechseln. Seit Jody Scheckter 1979 konnte Ferrari keinen Champion mehr stellen. Das sollte Schumacher nun ändern. Tatsächlich sorgte er mit drei Siegen 1996 für einen Aufwärtstrend der weltberühmten Scuderia, viele Pannen verhinderten jedoch ein noch besseres Abschneiden. Auch der Ferrari-Wechsel auf einen V10-Motor reichte nicht, um die erneute Williams-Dominanz zu gefährden. Damon Hill holte sich den Titel knapp vor seinem neuen Teamkollegen Jacques Villeneuve.

Obwohl der hausinterne Fahrplan den Gewinn der Weltmeisterschaft erst für 1998 anpeilte, griff Michael Schumacher bereits 1997 nach den Sternen: Als Erstplatzierter des Zwischenklassements reiste der Ferrari-Pilot zum Finale ins spanische Jerez, doch im entscheidenden Augenblick spielten ihm die Nerven einen Streich. Williams-Pilot Jacques Villeneuve triumphierte und - Sennas Rat war befolgt worden - Teamkollege Heinz Harald Frentzen wurde Vizeweltmeister, nachdem man Schumacher für eine versuchte Karambolage gegen Villeneuve aus der Wertung nahm.

Die Saison 1998 brachte eine Wende an der Spitze der F1-Hierarchie: Das Team Williams, seit 1992 im GP-Sport tonangebend, stürzte vom Thron. Weder Titelverteidiger Jacques Villeneuve noch dem amtierenden Vizemeister Heinz Harald Frentzen gelang auch nur ein einziger Stich. Einer der Gründe für die enttäuschende Nullrunde: Der langjährige Partner Renault spielte nicht mehr mit und dem ersatzweise eingebauten Kundenmotor der Marke Mecachrome fehlte es an Power.

Für Furore sorgte schon vor Saisonbeginn das neue technische Reglement: Die Wagenbreite wurde von zwei Metern auf 180 Zentimeter reduziert. Parallel wurden aus Sicherheitsgründen größere Cockpits vorgeschrieben. Der wichtigste neue Paragraph bezog sich allerdings auf die Reifen - anstelle der herkömmlichen profillosen Slicks kamen jetzt sogenannte Rillenreifen zum Einsatz. Vier Längsrillen auf den hinteren Pneus und drei auf den vorderen verringerten die Kontaktfläche zum Asphalt. Mit dieser Aktion sagten die Funktionäre der FIA den gefährlich hohen Kurvengeschwindigkeiten den Kampf an. Ab 1999 sollte eine zusätzliche Vorderreifenrille diesen Paragraphen noch verschärfen. Eine vierte Modifikation wurde nach vier der insgesamt 16 WM-Läufe nachgereicht. Die sogenannten Tower-Wings - zwei kleine Zusatzflügel auf den Seitenkästen - durften anschließend nicht mehr eingesetzt werden.

Comeback einer Legende: Ferrari sicherte sich 1999 den Markentitel. Comeback einer Legende: Ferrari sicherte sich 1999 den Markentitel.

Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo hatte bereits vor der ersten Runde des Championats in Melbourne versprochen, dass sich die Scuderia den Fahrertitel sichern werde. Im dritten gemeinsamen Jahr mit Michael Schumacher fühlten sich Sportchef Jean Todt und seine Männer siegessicher, doch mit McLaren-Mercedes gab es im Kampf um die WM-Krone einen sehr starken Gegner. Schumacher schien bereits vorzeitig geschlagen, als er am Abend des Grand Prix von Monaco Bilanz zog: Der Rheinländer rangierte hinter den beiden Silberpfeil-Piloten auf Platz drei des Zwischenklassements. Zu Mika Häkkinen fehlten ihm 22 WM-Punkte.

Aber Ferrari steckte nicht auf - Chassis und Motor wurden unter die Lupe genommen, Goodyear entwickelte die Reifen konsequent weiter. Schritt um Schritt konnten technische Probleme aussortiert werden - zum Beispiel die Auspuffanlage. Zunächst hatten die heißen Gase die hintere Radaufhängung getoastet. Eine Interimslösung brachte nicht viel mehr als Sorgenfalten auf der Stirn des Chef-Aerodynamikers. Schließlich wurde eine Lösung gefunden: Die Endrohre mündeten an der Oberseite der Seitenkästen. Das Blatt begann sich zu wenden. Mit einem Hattrick brachten sich Ferrari und Michael Schumacher wieder ins Spiel.

Mit vier WM-Punkten Rückstand auf Häkkinen reiste der F1-Tross zum Saisonabschluss im japanischen Suzuka. Schumi eroberte die Pole-Position. Alles sprach für ein Jahrhundertfinale, doch dann starb der Zehnzylinder im Rücken von Michael Schumacher vor dem Start ab. Dem Reglement entsprechend wurde der Deutsche in die letzte Startreihe verbannt. Alles schien verloren, aber dann arbeitete sich der Pechvogel vom letzten bis auf den zweiten Platz hinter Häkkinen vor. Alles war wieder offen, bis der rechte Hinterreifen am Ferrari des Deutschen platzte.

Das Jahr 1999 versprach eine Neuauflage des Duells Michael Schumacher contra Mika Häkkinen. Nach sieben Rennen war tatsächlich noch nichts entschieden. Die Propheten schienen Recht zu behalten, doch es kam anders. In der Startrunde des Grand Prix von England versagten die Bremsen von Schumachers F399. Eingangs der Rechtskurve Stowe jagte der rote Bolide vom Asphalt. Mit einem Tempo von 107 km/h schlug er in stumpfem Winkel gegen die Pistenbegrenzung. Für Sekundenbruchteile wirkten Kräfte von 50 g auf Auto und Piloten. Michael Schumacher bezahlte den Crash mit einem Bruch des rechten Unterschenkels.

Nun hatte der Titelverteidiger scheinbar freie Fahrt. Aber Ferrari setzte alles auf Eddie Irvine und der Nordire spielte die Rolle des Schumacher-Stellvertreters großartig. Beim vorletzten WM-Lauf des Jahres, dem Grand Prix von Malaysia, griff auch Schumacher wieder ins Geschehen ein. Mit Hilfe des Deutschen, der sich voll in den Dienst der Scuderia aus Maranello stellte, gelang Irvine in Sepang Saisonsieg Nummer vier. Wieder musste die Entscheidung in Suzuka fallen, wo die Tagesform zugunsten von Mika Häkkinen den Ausschlag gab. Den Gewinn der Konstrukteursweltmeisterschaft konnte McLaren den Italienern allerdings nicht mehr streitig machen.

Nur geringfügige Veränderungen des Reglements ermöglichten es den Teams, sich im Winter 1999/2000 auf die Weiterentwicklung zu konzentrieren. Auf dem Kraftstoffsektor gab es eine Neuerung: Die Formel 1 verwendet seit jener Saison ultrareinen Kraftstoff, der mit einer neuen EU-Direktive übereinstimmt. Der maximale Schwefelgehalt ist deutlich reduziert und der Anteil von Aromastoffen von 42% auf 35% gesenkt.

Und damit geht's ins nächste Jahrtausend...